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Die Biene Maja

Die Biene Maja

Titel: Die Biene Maja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldemar Bonsels
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brennendes Verlangen hielt sie davon zurück: sie wünschte sich, den Menschen kennenzulernen. Sie hatte so viel Widersprechendes über die Menschen gehört, daß sie eher verwirrter als klüger geworden war, und doch ahnte sie, daß es in der ganzen Schöpfung nichts Mächtigeres, Klügeres und Erhabeneres als den Menschen gäbe.
    Aus hoher Luft, aus weiter Entfernung hatte sie auf ihren Irrfahrten wohl zuweilen Menschen gesehen, schwarze, weiße und rote, auch solche, die vielfarbig und bunt bekleidet waren, kleine und große. Aber sie hatte sich niemals in die Nähe getraut. Einmal sah sie es rot am Bach schimmern, und da sie den Schein der Farbe für ein Blumenbeet hielt, war sie hinzugeflogen. Da fand sie einen Menschen mit goldenen Haaren und rosigem Angesicht. Er schlief in einem roten Kleid in den Blumen am Bach und sah trotz seiner furchtbaren Größe so gut und lieblich aus, daß ihr vor Entzücken Tränen in die Augen traten. Sie hatte alles um sich her vergessen und nur immer den schlummernden Menschen betrachten müssen. Was sie jemals an Bösem darüber gehört hatte, erschien ihr unmöglich, es war ihr, als müßte alles Schlechte Lüge gewesen sein, was man ihr jemals über solch liebliche Wesen berichtet hatte, wie dort eines im Schatten der flüsternden Birken schlief.
    Später kam eine Mücke zu ihr und grüßte.
    »Mein Gott,« rief Maja, ganz heiß vor Erregung und Freude, »sehen Sie dort den Menschen, wie schön, wie gut. Begeistert es Sie nicht?«
    Die Mücke sah erst Maja sehr erstaunt an und drehte sich dann langsam nach dem Gegenstand ihrer Bewunderung um:
    »Ja,« sagte sie, »er ist gut, gewiß, ich habe ihn eben angebohrt. Schauen Sie, mein Leib schimmert rot von seinem Blut.«
    Maja mußte ihrem Herzen mit der Hand zur Hilfe kommen, so sehr erschrak sie über die Kühnheit der Mücke.
    »Wird er sterben?« rief sie. »Wo haben Sie ihn verletzt? Wie können Sie nur den erforderlichen Mut und zugleich eine so unwürdige Gesinnung aufbringen? Sie sind ja ein Raubtier!«
    Die Mücke lachte und antwortete mit ihrem hohen hellen Stimmchen sichtlich amüsiert:
    »Dies ist doch nur ein ganz kleiner Mensch. Diese Größe wird Mädchen genannt, sobald die Beine bis zur Hälfte von einem abstehenden farbigen Panzer bedeckt sind. Ich kann natürlich hindurchstechen, aber in der Regel erreicht man die Haut nicht. -- Sie haben ja eine ganz fabelhafte Unkenntnis, glauben Sie denn, die Menschen seien gut? Ich habe niemals einen gefunden, der mir freiwillig auch nur das kleinste Tröpfchen Blut gegönnt hätte.«
    »Vom Menschen weiß ich allerdings noch nicht sehr viel«, sagte Maja kleinlaut.
    »Aber Sie geben sich doch von allen Insekten am meisten mit den Menschen ab, Sie lassen sich am weitesten mit ihnen ein, das ist doch bekannt.«
    »Ich habe das Königreich verlassen«, gestand Maja schüchtern. »Es gefiel mir nicht, ich wollte die Welt kennenlernen.«
    »I, da sieh einer an«, sagte die Mücke und trat einen Schritt näher. »Wie bekommt Ihnen denn Ihr Umhertreiben? Ich muß sagen, daß es mir gefällt, Sie so unabhängig zu sehen. Ich für mein Teil würde mich niemals entschließen, den Menschen zu dienen.«
    »Sie dienen auch uns«, sagte Maja, die es nicht ertragen konnte, daß man ihr Volk herabsetzte.
    »Mag sein,« antwortete die Mücke, »zu welchem Volk gehören Sie?«

    »Ich stamme vom Volk der Bienen im Schloßpark. Die regierende Königin ist Helene die Achte.«
    »So, so,« machte die Mücke und verbeugte sich, »das ist eine beneidenswerte Abstammung. Alle Achtung. Sie hatten kürzlich Revolution, nicht wahr? Ich hörte das durch die Kundschafter des Schwarms, der ausgebrochen war. Habe ich recht?«
    »Ja«, sagte Maja stolz. Es erfüllte sie mit Genugtuung und Freude, daß die Ihren so hohes Ansehen genossen und weit bekannt waren. Tief im Herzen wachte wieder das Heimweh nach ihrem Volke auf, sie wünschte sich, etwas Großes und Gutes für ihre Königin und zum Wohl ihres Staates tun zu können. Darüber vergaß sie nach dem Menschen zu fragen. Vielleicht fragte sie auch deshalb nicht mehr, weil sie von der Mücke nichts Gutes zu hören hoffte. Sie empfand die Kleine als frech und naseweis, und solche Leute wissen gewöhnlich über andere nur Schlechtes zu sagen.
    Die Mücke war damals auch bald weitergeflogen.
    »Ich nehme noch einen Schluck«, hatte sie gerufen. »Später werde ich mit den Gefährten in der Abendsonne fliegen, damit wir morgen gutes Wetter

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