0450 - Sukos Totenfeier
Er und sein Freund John Sinclair hatten eine Aufgabe zu erledigen. Shao wusste nur, dass sie auf der Suche nach einem Schreckgespenst waren.
Suko hatte ihr gesagt, dass es spät, wenn nicht sehr spät werden konnte.
Nun war sie allein…
Und Shao wusste nicht, der wievielte Anruf es war, aber sie war sich sicher, dass der letzte sie zu ihrem Ziel führen würde.
Hatte die Vergangenheit sie jetzt endgültig eingeholt?
Nach dem dritten Läuten stand sie auf. Shao musste sich an der Sesselkante festhalten, sonst hätten ihre Beine nachgegeben, und sie wäre gestürzt.
Dennoch zitterten ihre Knie, als sie auf den läutenden Apparat zuging.
Wie eine Greisin tastete sie sich weiter. Als sie durch die Lichtkugel einer eingeschalteten Stehlampe schritt, wirkte auch der Blick ihrer Augen stumpf.
Beim fünften Läuten hatte sie den Apparat erreicht. Sollte sie überhaupt abheben? Es hätte nichts an den Tatsachen geändert, wenn sie anders reagiert hätte, deshalb hob sie ab.
Sie presste den Hörer gegen ihr Ohr und sagte nur ein Wort. »Ja…«
»Hattest du geschlafen, Shao?«
Es war die gleiche Stimme wie immer. Sie klang freundlich, glatt und auch kalt. Sie schien vom Mond zu stammen und hörte sich manchmal wiederum so nah an, als würde jemand aus dem Nebenzimmer anrufen.
»Ich war wach.«
»Schön, so muss das auch sein. Dann hast du dich wahrscheinlicht nicht getraut.«
»Es ist schon schlimm.«
Der Sprecher, dessen Namen Shao nicht kannte, lachte. »Du hast dich geirrt, Shao. Es ist nicht schlimm. Es war schlimm. Ja, es war schlimm, denn heute Abend mußt du handeln. Hast du verstanden? Handeln.«
»Sicher. Aber wie…?«
»Hör zu, Shao«, die Stimme senkte sich zu einem Flüstern. »Hör genau zu…«
Und Shao hielt förmlich den Atem an, denn sie konnte dem Sprecher nichts abschlagen. Obwohl sie ihn nie gesehen hatte, besaß er große Macht über sie. Er konnte sie auf posthypnotischem Weg kontrollieren, sie wurde zu Wachs, wenn sie allein seine manchmal einschmeichelnde und dann wieder harte Stimme hörte.
Aber die legte eine Pause ein.
Ein anderes Geräusch drang durch die Leitung.
Dumpf, hämmernd, gleichzeitig drohend.
Trommeln…
Ein hallender Wirbel von Trommelschlägen. Jeder einzelne war von einem rollenden Echo begleitet, das wiederum in den nächsten Schlag überging.
Shao stand da, wie an den Boden geleimt. Sie hätte den Hörer am liebsten fortgeschleudert, dachte aber an den Befehl des Unbekannten und horte weiter zu.
Die Schläge drangen durch den Hörer, aber die Echos hämmerten nach und erreichten ihr Gehirn. Sie hatte das Gefühl, eine Botschaft zu hören, die aus einer anderen Welt stammte, wo sich die Zeiten kreuzten und es weder Tag noch Nacht gab.
Dieser Trommelklang war mörderisch. Er durchdrang ihren gesamten Körper. Shao spürte das Vibrieren sogar in den Fingerspitzen, selbst die schienen unter den Echos zu zucken.
Auf ihrem Körper lag eine Gänsehaut, die nicht weichen wollte. Verursacht durch eine tiefsitzende Angst und das Geräusch der unheimlich klingenden Trommeln.
Sie stand da, starrte gegen die Wand, an der Federzeichnungen aus ihrer Heimat hingen, und hatte das Gefühl, dass sich die Wand bei jedem Schlag bewegte.
Wie lange dieses dumpfe Geräusch angehalten hatte, wusste sie nicht zu sagen. Shao hatte das Zeitgefühl verloren, aber irgendwann ging der Klang zurück. Er dröhnte nicht mehr so in ihrem Kopf. Als die Trommeln schließlich verstummten, hatte Shao dennoch keine Ruhe. Nach wie vor war ihr Kopf von diesen Klängen erfüllt, die sie inzwischen als Marter und Tortur empfand.
Shao verzog das Gesicht. Es waren keine körperlichen Schmerzen, die sie zu dieser Handlung zwangen, eher das seelische Leid und ihr Wissen, nichts gegen diesen bedrückenden Trommelzauber unternehmen zu können. Plötzlich hörte sie wieder die Stimme.
Sehr leise, flüsternd fast, aber dennoch gut zu verstehen. »Hast du sie mitbekommen, Shao? Hast du jeden einzelnen Schlag gut gehört, meine Liebe?«
»Das habe ich.«
»Wunderbar. Es waren die Zeichen, und sie galten einzig und allein nur dir.«
»Und was soll das?«
»Frag nicht so naiv. Ich habe dir erklärt, dass die Anrufe vorbei sind. Es war mein letzter - und mein entscheidender«, fügte der unbekannte Sprecher schärfer hinzu. »Noch etwas will ich von dir wissen, meine Teure. Hast du es dir gekauft?«
Shao zögerte mit der Antwort. »Das… das Hemd…?«
»Ja, dein Leichenhemd!«
Sie nickte, obwohl
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