Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees

Titel: Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Monk Kidd
Vom Netzwerk:
gesagt.
    Ich beugte mich vor und hob das Messer auf, ließ die Klinge zurückklappen und gab es ihm. »Es ist alles gut«, sagte ich.
    Aber nichts war gut. Ich hatte in den dunklen Abgrund geblickt, den er verborgen hatte, den furchtbaren Ort, den er versiegeln und an den er nie mehr zurückkehren wollte. Plötzlich schien er beschämt. Ich sah, wie er seine Lippen vorstülpte, wie er versuchte, seinen Stolz zurückzugewinnen, seine Wut, das ganze Donnerwetter, mit dem er hier hereingestürmt war. Seine Hände glitten in die Hosentaschen und wieder hinaus.
    »Wir fahren jetzt nach Hause«, sagte er.
    Ich antwortete nicht, sondern ging hinüber zu Unserer Lieben Frau, die noch auf dem Boden lag, und richtete sie auf. Ich spürte, dass Augusta und Rosaleen draußen vor der Tür standen, ich konnte beinahe ihren Atem hören. Ich berührte meine Wange. Sie war an der Stelle, wo er mich geschlagen hatte, geschwollen.
    »Ich bleibe hier«, sagte ich. »Ich gehe hier nicht weg.« Die Worte lagen vor ihm, hart und schimmernd. Wie Perlen, die in den letzten Wochen tief drin in meinem Leib gediehen waren.
    »Was hast du gesagt?«
    »Ich sagte, ich bleibe hier.«
    »Was sagst du? Ich kenn diese verdammten Leute ja noch nich’ mal.« Er schien Mühe damit zu haben, seine Worte machtvoll und bedrohlich genug zu machen. All seine Wut war in dem Moment aus ihm gewichen, als er das Messer hatte fallen lassen.
    » Ich kenne sie«, sagte ich. »Und Augusta Boatwright ist eine wundervolle Frau.«
    »Und wieso glaubst du, dass sie dich hier überhaupt haben will?«
    »Lily hat hier ihr Zuhause und kann bleiben, solange sie möchte.« Augusta trat ins Zimmer, Rosaleen gleich hinter ihr. Ich ging zu ihnen und stellte mich neben sie. Ich hörte, wie draußen Queenies Auto in die Auffahrt einbog. Der Auspuff machte ein unverwechselbares Geräusch. Augusta hatte anscheinend die Töchter angerufen.
    »Lily sagte, du hättest dich aus’m Staub gemacht«, sagte T. Ray zu Rosaleen.
    »Na, dann bin ich halt wieder da«, sagte sie.
    »Es interessiert mich einen Dreck, wo du bist oder wo du landest«, sagte er ihr. »Aber Lily kommt mit mir mit.«
    So, wie er es sagte, war mir klar, dass er mich nicht wollte. Er wollte nicht, dass ich mit ihm zurück auf die Farm ging, er wollte nicht, dass ich ihn an sie erinnerte. Und vielleicht wusste ja sogar ein anderer Teil von ihm - der gute, falls er so etwas hatte -, dass es mir hier besser ergehen würde.
    Jetzt stand ihm nur noch sein Stolz im Wege, es ging nur noch um Stolz. Wie kam er hier mit Anstand wieder heraus?
    Die Vordertür ging auf, und Queenie, Violet, Lunelle und Mabelee stolperten ins Haus, völlig aufgelöst, sie sahen alle aus, als hätten sie ihre Kleider verkehrt herum angezogen. Queenie sah auf meine Wange. »Alles in Ordnung hier?«, sie war völlig außer Atem.
    »Hier ist alles in Ordnung«, sagte Augusta. »Das ist Mr. Owens, Lilys Vater, er ist zu Besuch gekommen.«
    »Ich hab bei Sugar-Girl und Cressie niemand angetroffen«, sagte Queenie. Die Vier reihten sich neben uns auf und hielten ihre Handtaschen so in den Händen, als ob sie damit jemandem so richtig einen überbraten wollten.
    Ich fragte mich, wie das wohl auf ihn wirken musste, diese Gruppe von Frauen - Mabelee mit ihren ein Meter vierzig, Lunelle mit wild zerzausten Haaren, die geradezu darum flehten, doch endlich geflochten zu werden, Violet, die »heilige Mutter Maria« murmelte, und Queenie, die gute alte, unerschütterliche Queenie, die Hände in die Hüften gestemmt und ihre Lippen vorgeschoben. Jede Faser an ihr sagte: Dir mach ich Dampf, wenn du das Mädchen auch nur anrührst.
    T. Ray keuchte schwer und sah zur Decke. Seine Entschlossenheit fing an zu bröckeln. Man konnte geradezu sehen, wie sie in Bruchstücken von ihm abfiel.
    Augusta sah es auch. Sie trat vor. Manchmal vergaß ich ganz, wie groß sie war. »Mr. Owens, sie würden Lily und allen anderen von uns hier einen großen Gefallen tun, wenn sie Lily hier ließen. Ich bilde sie nämlich zur Bienenhüterin aus, sie lernt gerade das Geschäft und hilft uns hier mit all der schweren Arbeit. Wir lieben Lily, und wir werden uns um sie kümmern, das verspreche ich ihnen. Wir werden sie hier zur Schule schicken und auf sie aufpassen.«
    Ich hatte schon oft gehört, wie Augusta gesagt hatte: »Wenn du etwas von jemandem brauchst, dann bau dem anderen eine Brücke, auf der ihr euch begegnen könnt.« T. Ray musste einen Weg finden, mich ihr zu übergeben,

Weitere Kostenlose Bücher