Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die blaue Sonne der Paksi

Die blaue Sonne der Paksi

Titel: Die blaue Sonne der Paksi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
Vom Netzwerk:
in Gebrauch gewesen waren und die menschliche Arbeitskraft bei der Aufsicht, Lenkung und Reparatur von Industrieanlagen des damaligen Typs ersetzt hatten. Dafür sprachen die menschenähnliche Gestalt – die damals einfach aus dem Umstand resultierte, daß die Anlagen noch für menschliche Bedienung proportioniert waren – und die Anzahl der Freiheitsgrade in den Bewegungsmechanismen, die weitaus niedriger war als bei einem biologischen Wesen, aber immer noch höher als bei modernen, spezialisierten Robotern.
    Es war jedoch fraglich, ob irdische Maßstäbe hier benutzt werden durften. Sie würden sich im Verlauf der Untersuchungen davon lösen müssen, und in den Schlußfolgerungen durften solche Maßstäbe gar nicht auftauchen, aber als Ausgangspunkt konnten sie wohl dienen. Wovon sonst sollte Raja ausgehen? „Helft mir mal“, wandte sie sich an Hellen und Utta. „Ich brauche jetzt allerlei!“
    Rajas erster Versuch war ein Schlag ins Wasser. Sie verstreute eine kleine Kollektion von Werkzeugen auf dem Boden, und zwar Werkzeuge unterschiedlicher technischer Entwicklungsstufen – Hammer, Zange, Schweißapparat, Funkgerät –, in der Hoffnung, der Roboter werde sich für das eine mehr interessieren als für das andere und man könne daraus Schlußfolgerungen ziehen. Aber der Roboter stopfte alles, was herumlag, unterschiedslos in eine Art Beutel, den er unter dem linken Arm trug, so daß er nun ganz unsymmetrisch aussah, was ihn aber anscheinend nicht behinderte. Nachdem er alles aufgesammelt hatte, folgte er weiterhin dem Omikron – sozusagen auf Schritt und Tritt.
    Da von einem programmierten Verhalten des Roboters noch immer nichts zu erkennen war, ganz zu schweigen von irgendeiner Zielstrebigkeit, beschloß Raja, die einzig erkennbare Besonderheit in seinem Verhalten auszunutzen: die seltsame Anhänglichkeit gegenüber dem Omikron. Sie nahm einen Gravistapler von der Wand der Ausstiegskammer, ein kleines Kästchen, mit dem sich waagerechte und senkrechte Schwereflächen erzeugen und bewegen ließen, unsichtbare Wände, undurchdringlich für normale Lasten und Kräfte.
    Raja bat Utta, dem Omikron einen Auftrag zu geben, der ihn in Bewegung setzte, und als der Roboter ihm wieder folgen wollte, schob sie eine unsichtbare Wand dazwischen.
    Der Roboter prallte gegen die Wand und taumelte zurück. Zwei, drei Sekunden blieb er stehen, ohne sich zu rühren, und damit war die erste bedeutungsvolle Aussage gegeben: Der Roboter hatte ein inneres Umweltmodell, sonst hätte er sofort weiter reagiert; und Graviflächen waren in diesem Umweltmodell nicht enthalten, sonst hätte er schneller geschaltet.
    Danach verhielt er sich wie erwartet: Er tastete die unsichtbare Fläche ab, und da er in der Höhe keinen Durchlaß fand, schritt er seitwärts an der Wand entlang, bis sie zu Ende war und er wieder zu dem Omikron gehen konnte.
    Raja wiederholte das Experiment mehrmals. Der fremde Roboter zeigte sich lernfähig. Beim zweiten Mal handelte er ohne Pause, beim dritten Mal folgte er dem Omikron langsamer und von Anfang an mit vorgestreckten Armen.
    Und dann geschah etwas Sonderbares. Als sich der Omikron wieder in Bewegung setzte, folgte der Roboter ihm nicht, sondern ging scheinbar, ohne Interesse für irgend etwas, in seitlicher Richtung davon, schlenderte sozusagen ziellos umher, rannte dann plötzlich in einer bisher nicht entwickelten Geschwindigkeit zu dem Omikron, so schnell, daß Raja nicht mehr dazu kam, eine Fläche dazwischenzuschieben.
    „Wie würdest du das bezeichnen?“ Raja fragte Hellen, um ihren eigenen Eindruck zu überprüfen.
    Hellen dachte einen Augenblick nach. „Wir testen ihn, und er testet uns“, sagte sie dann.
    „Das ist eben unklar“, meinte Raja nachdenklich, „er testet, ja. Aber testet er uns? Oder den Omikron? Oder die Umwelt schlechthin? Am Omikron kann er keine Aktionen entdecken, die mit dem Erscheinen der Graviflächen korrespondieren. Uns kennt er nicht – oder erkennt uns nicht an. Nein, so kommen wir nicht weiter, wir deuten die Vorgänge viel zu sehr auf unsere Weise. Wie ist das also – er trifft auf drei verschiedene Arten von Gegenständen, die ihm mehr oder weniger neu sind: die Werkzeuge, den Omikron und uns.“
    „Vier“, warf Utta ein. „Die Graviflächen.“
    „Richtig“, sagte Raja, „das macht das Bild noch klarer. Erstens: Die Werkzeuge sammelt er auf und steckt sie ein. Das ist normale Erkundung, der Beutel an seiner Seite ist wohl dafür da. Zweitens: Er

Weitere Kostenlose Bücher