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Die blaue Sonne der Paksi

Die blaue Sonne der Paksi

Titel: Die blaue Sonne der Paksi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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seine Gestik etwas Drohendes, das Raja befremdete. Sollte er, seinem Machtstreben zuliebe, ihre Freundschaft opfern wollen? Raja versuchte ihn zu verstehen. Als Exponent einer gesellschaftlichen Bewegung hatte er nicht für sich zu entscheiden und nach seinen persönlichen Bindungen zu fragen, und damit begriff Raja, daß er notfalls sogar versuchen würde, Gewalt gegen sie anzuwenden. Sie mußte ihm nun auch den Rest mitteilen.
    „Das wäre zwecklos“, sagte sie. „Das Wort wurde geändert.“
    Kisa sah sie lange an. „Und das neue Wort kennt auch ihr nicht?“ fragte er dann.
    „Nein“, erwiderte Raja und wunderte sich, daß man ihrer Stimme nicht anhörte, wie sehr sich alles in ihr verkrampfte bei dieser ersten Lüge ihres Lebens.
    „Die Fremden haben immer wahr gesprochen“, sagte Kisa nach einer längeren Pause, „ich glaube dir.“ Raja fühlte einen Stich im Herzen.
    „Und auch ich will dir die Wahrheit sagen“, fuhr Kisa fort. „Ich bin froh, daß ich nicht Gewalt anwenden muß gegen dich.“
    Raja hatte das Gefühl, daß alles in ihr nach oben drängte, zum Mund, daß die Wahrheit mit Macht hinauswollte, und sie beherrschte sich nur mit Mühe. Dabei spürte sie, wie sie innerlich von Kisa abrückte, wie die freundliche Vertrautheit schwand. Raja wollte sich dagegen wehren, schließlich hatte sie diese Situation selbst heraufbeschworen, wenn auch durch die Umstände dazu gezwungen. Dann jedoch sagte sie sich, daß ihre Freundschaft zu Kisa vielleicht ebenso verkrampft war wie vorher ihr Ekel, und sie wurde ruhiger. Eins blieb ihr jedoch: ein tiefer Respekt vor dem Revolutionär Kisa.
    Einem Menschen wäre sicherlich aufgefallen, was in ihr vorging, Kisa jedoch schien den menschlichen Gesichtsausdruck noch nicht genau beurteilen zu können. Er winkte, und Oki, sein Adjutant, kam herbei.
    „Der Iskatoksi marschiert zur Götterburg“, sagte Kisa, „wir könnten ihn beim Flußübergang angreifen, aber dann würden wir unsere Freunde im Heer zwingen, gegen uns zu kämpfen. Besser ist, wir marschieren auch dorthin, aber durch den Wald. Ich glaube, die Aufstände in den Siedlungen können stattfinden wie geplant, überrechne das noch einmal. Das Heer ist jetzt – wo?“ Er wandte sich zu Raja.
    Raja hatte geschwitzt, sie fühlte sich klebrig und widerwärtig am ganzen Leibe, aber diese sachliche Auskunft zu geben beruhigte sie.
    „Und du kehrst zu den Deinen zurück und verläßt uns?“ fragte Kisa, als Oki gegangen war.
    „Ich bleibe bei dir, wenn du zur Götterburg marschierst“, sagte Raja.
     
    Zwei Tage später überquerte das Heer des Iskatoksi den Fluß und nahm zwischen Fluß und Kuppel Aufstellung. Aus dem Waldrand traten die ersten Reihen des Rebellenheeres hervor und machten ebenfalls halt. Eine Pause voller Spannungen entstand.
    Die Raumschiffbesatzung, bis auf Raja, beobachtete die Ereignisse von oben, aus dem Schweber. Lange hatten sie debattiert, alle möglichen Varianten durchgespielt – und waren doch zu dem Ergebnis gekommen, daß sich die Ereignisse kaum vorhersehen ließen. Zuwenig wußten sie von den verborgenen gesellschaftlichen Vorgängen bei den Paksi, zuwenig über die Stärke von Kisas Bewegung, über Traditionen und Bräuche, über all das, was die Entschlüsse der beiden Seiten beeinflussen konnte.
    So waren sie sich nur über eins einig geworden: alles einzusetzen, damit kein einziger Paksi, sei er fortschrittlich oder reaktionär, an den Folgen des menschlichen Eingreifens sterben müsse.
    In dieser Situation hatte sich auch Hellen entschlossen, das Raumschiff zu verlassen – und mitzukommen. Es sprach ja nichts dagegen, denn das Raumschiff schützte sich selbst. Über alle logischen Argumente hinweg spürte sie, wie dieser Strudel sie immer tiefer in sich hineinzog. Hier mußten Entscheidungen fallen, und der Rat einer Kommandantin würde gebraucht werden. Die Raumfahrer konnten rein äußerlich eine Menge tun. Sie konnten die Gravitation benutzen und Trennwände errichten, die verhinderten, daß die Heere aufeinanderstießen, und vieles andere. Aber in keinem Fall waren sie in der Lage, die Folgen vorherzusehen, schon kaum die unmittelbaren und erst recht nicht die, die für den gesamten gesellschaftlichen Entwicklungsprozeß entstünden.
    Zwischen den beiden Heeren lag ein freier Raum von etwa fünfhundert Metern, seitlich davon die Kuppel. Und in diesen freien Raum, aber natürlich außerhalb des Öffnungskorridors der Kuppel, trat nun eine weitere Gruppe aus

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