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Die Blechtrommel

Die Blechtrommel

Titel: Die Blechtrommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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Hausmeister Kobyella zur Reparatur anvertrauen zu können, wenn das Innere der Post nicht schon seit Monaten mit Panzerplatten in Verteidigungszustand versetzt, ein bislang harmloses Postpersonal, Beamte, Briefträger, während Wochenendschulungen in Gdingen und Oxhöft in eine Festungsbesatzung verwandelt worden wäre.
    Wir näherten uns dem Olivaer Tor. Jan Bronski schwitzte, starrte in das staubige Grün der Hindenburgalleebäume und rauchte mehr von seinen Goldmundstückzigaretten, als es ihm seine Sparsamkeit hätte erlauben dürfen. Oskar hatte seinen mutmaßlichen Vater noch nie so schwitzen sehen, ausgenommen die zwei-oder dreimal, da er ihn mit seiner Mama auf der Chaiselongue beobachtet hatte.
    Meine arme Mama aber war schon lange tot. Warum schwitzte Jan Bronski? Nachdem ich bemerken mußte, daß ihn kurz vor Erreichen fast jeder Haltestelle die Lust ankam, auszusteigen, daß ihm jedesmal erst im Augenblick des Aussteigenwollens meine Gegenwart bewußt wurde, daß ich und meine Trommel ihn veranlaßten, wieder Platz zu nehmen, wurde mir klar, daß der Polnischen Post wegen geschwitzt wurde, die Jan als Staatsbeamter zu verteidigen hatte. Er war doch schon einmal davongelaufen, hatte dann mich und meine Schrottrommel an der Ringstraße, Ecke Heeresanger entdeckt, die Umkehr zur Beamtenpflicht beschlossen, schleppte mich, der ich weder Beamter war noch zur Verteidigung eines Postgebäudes taugte, mit sich und schwitzte und rauchte dabei. Warum stieg er nicht noch einmal aus? Ich hätte ihn gewiß nicht gehindert. Er war ja noch in den besten Jahren, noch keine fünfundvierzig. Blau war sein Auge, braun sein Haar, gepflegt zitterten seine Hände, und hätte er nicht so erbärmlich schwitzen müssen, wäre es Kölnisch Wasser gewesen und nicht kalter Schweiß, den Oskar, neben seinem mutmaßlichen Vater sitzend, riechen mußte.
    Am Holzmarkt stiegen wir aus und gingen zu Fuß den Altstädtischen Graben hinunter. Ein windstiller Nachsommerabend. Die Glocken der Altstadt bronzierten wie immer gegen acht Uhr den Himmel.
    Glockenspiele, die Tauben aufwölken ließen: »Üb immer Treu und Redlichkeit bis an dein kühles Grab.« Das klang schön und war zum Weinen. Aber überall wurde gelacht. Frauen mit sonnengebräunten Kindern, flauschigen Bademänteln, bunten Strandbällen und Segelschiffen stiegen aus Straßenbahnen, die von den Seebädern Glettkau und Heubude tausend Frischgebadete brachten.
    Junge Mädchen leckten mit beweglichen Zungen unter noch verschlafenen Blicken Himbeereis. Eine Fünfzehnjährige ließ ihre Eiswaffel fallen, wollte sich schon bücken, den Schmand wieder aufheben, da zögerte sie, überließ dem Pflaster und den Schuhsohlen künftiger Passanten die zerfließende Erfrischung; bald würde sie zu den Erwachsenen gehören und Eis nicht mehr auf der Straße lecken.
    An der Schneidermühlengasse bogen wir links ein. Der Heveliusplatz, in den die Gasse mündete, wurde von gruppenweise herumstehenden Leuten der SS-Heimwehr gesperrt: junge Burschen, auch Familienväter mit Armbinden und den Karabinern der Schutzpolizei. Es wäre leicht gewesen, diese Sperre, einen Umweg machend, zu umgehen, um vom Rähm aus die Post zu erreichen Jan Bronski ging auf die Heimwehrleute zu. Die Absicht war deutlich: er wollte aufgehalten, unter den Augen seiner Vorgesetzten, die sicherlich vom Postgebäude aus den Heveliusplatz beobachten Ließen, zurückgeschickt werden, um so, als abgewiesener Held, eine halbwegs rühmliche Figur machend, mit derselben Straßenbahn Linie Fünf, die ihn hergebracht hatte, nach Hause fahren zu dürfen.
    Die Heimwehrleute ließen uns durch, dachten wahrscheinlich gar nicht daran, daß jener gutgekleidete Herr mit dem dreijährigen Jungen an der Hand ins Postgebäude zu gehen gedachte. Vorsicht rieten sie uns höflich an und schrien erst Halt, als wir schon durch das Gitterportal hindurch waren und vor dem Hauptportal standen. Jan drehte sich unsicher. Da wurde die schwere Tür einen Spalt weit geöffnet, man zog uns hinein: wir standen in der halbdunklen, angenehm kühlen Schalterhalle der Polnischen Post.
    Jan Bronski wurde von seinen Leuten nicht gerade freundlich begrüßt. Sie mißtrauten ihm, hatten ihn wohl schon aufgegeben, gaben auch laut zu, daß der Verdacht bestanden habe, er, der Postsekretär Bronski, wolle sich verdrücken. Jan hatte Mühe, die Anschuldigungen zurückzuweisen. Man hörte gar nicht zu, schob ihn in eine Reihe, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte,

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