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Die Blechtrommel

Die Blechtrommel

Titel: Die Blechtrommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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Postgeheimnis immer gewahrt bleiben.
    Im selben Maße, wie das Maschinengewehrfeuer zunahm, weitete sich der Trichter in jenem Wäschekorb voller Briefe. Endlich ließ ich es genug sein, bettete meine todkranke Trommel in dem frisch aufgeworfenen Lager, bedeckte sie dicht, nicht nur dreifach, nein, zehn-bis zwanzigfach auf ähnliche Art verzahnt mit den Umschlägen, wie Maurer Ziegel fügen, wenn es gilt, eine stabile Wand zu errichten.
    Kaum hatte ich diese Vorsichtsmaßnahme, von der ich mir Splitter-und Kugelschutz für mein Blech erhoffen durfte, beendet, als an der Fassade, die das Postgebäude zum Heveliusplatz hin begrenzte, etwa in Höhe der Schalterhalle die erste Panzerabwehrgranate detonierte.
    Die Polnische Post, ein massiver Ziegelbau, durfte getrost eine Anzahl dieser Einschläge hinnehmen, ohne befürchten zu müssen, daß es den Leuten der flteimwehr gelänge, kurzes Spiel zu machen, schnell eine Bresche zu schlagen, breit genug für einen frontalen, oft exerzierten Sturmangriff.
    Ich verließ meinen sicheren, fensterlosen, von drei Büroräumen und dem Korridor der ersten Etage eingeschlossenen Lagerraum für Briefsendungen, um nach Jan Bronski zu schauen. Wenn ich nach meinem mutmaßlichen Vater Jan Ausschau hielt, suchte ich selbstverständlich und fast mit noch größerer Begierde den invaliden Hausmeister Kobyella. War ich doch am Vorabend mit der Straßenbahn, auf mein Abendessen verzichtend, in die Stadt, zum Heveliusplatz und hinein in jenes mir sonst gleichgültige Postgebäude gekommen, um meine Trommel reparieren zu lassen. Wenn ich also den Hausmeister nicht rechtzeitig, das heißt, vor dem mit Sicherheit zu erwartenden Sturmangriff fand, war an eine sorgfältige Befestigung meines haltlosen Bleches kaum noch zu denken.
    Oskar suchte also den Jan und meinte den Kobyella. Mehrmals durchmaß er mit auf der Brust gekreuzten Armen den langen gefliesten Korridor, blieb aber mit seinem Schritt alleine. Zwar unterschied er einzelne, sicher vom Postgebäude aus abgegebene Gewehrschüsse von der anhaltenden Munitionsvergeudung der Heimwehrleute, aber die sparsamen Schützen mußten in ihren Büroräumen die Poststempel gegen jene anderen, gleichfalls stempelnden Instrumente ausgetauscht haben. Im Korridor stand, lag oder hielt sich keine Bereitschaft für einen eventuellen Gegenangriff bereit. Da patrouillierte nur Oskar, war wehrlos und ohne Trommel dem Geschichte machenden Introitus einer viel zu frühen Morgenstunde ausgesetzt, die allenfalls Blei, aber kein Gold im Munde trug.
    Auch in den Büroräumen zum Posthof hin fand ich keine Menschenseele. Leichtsinn, stellte ich fest.
    Man hätte das Gebäude auch in Richtung Schneidermühlengasse sichern müssen. Das dort liegende Polizeirevier, durch einen bloßen Bretterzaun vom Posthof und der Paketrampe getrennt, bildete eine so günstige Angriffsposition, wie sie nur noch im Bilderbuch zu finden sein mag. Ich klapperte die Büroräume, den Raum für eingeschriebene Sendungen, den Raum der Geldbriefträger, die Lohnkasse, die Telegrammannahme ab: da lagen sie. Hinter Panzerplatten und Sandsäcken, hinter umgestürzten Büromöbeln lagen sie, stockend, fast sparsam schießend.
    In den meisten Räumen hatten schon einige Fensterscheiben Bekanntschaft mit den Maschinengewehren der Heimwehr gemacht. Flüchtig besah ich mir den Schaden und stellte mit jenem Fensterglas Vergleiche an, das unter dem Eindruck meiner diamantenen Stimme in ruhig, tief atmenden Friedenszeiten zusammengebrochen' war. Nun, wenn man von mir einen Beitrag zur Verteidigung der Polnischen Post forderte, wenn etwa jener kleine, drahtige Doktor Michon nicht als postalischer, sondern als militärischer Direktor der Post an mich heranträte, um mich vereidigend in Polens Dienste zu nehmen, an meiner Stimme sollte es nicht fehlen: für Polen und Polens wildblühende und dennoch immer wieder Früchte tragende Wirtschaft hätte ich gerne die Scheiben aller gegenüberliegenden Häuser am Heveliusplatz, die Verglasung der Häuser am Rahm, die gläserne Flucht an der Schneidermühlengasse, inklusive Polizeirevier, und fernwirkender als je zuvor, die schöngeputzten Fensterscheiben des Altstädtischen Grabens und der Rittergasse binnen Minuten zu schwarzen, Zugluft fördernden Löchern gemacht. Das hätte Verwirrung unter den Leuten der Heimwehr, auch unter den zuguckenden Bürgern gestiftet, Das hätte den Effekt mehrerer schwerer Maschinengewehre ersetzt, das hätte schon zu Anfang des

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