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Die Blechtrommel

Die Blechtrommel

Titel: Die Blechtrommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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könnte mir Händel zwischen den kaschubischen Flißacken und dem aus Stettin gebürtigen Steuermann vorstellen, vielleicht den Anflug einer Meuterei: Versammlung auf der Back, Lose werden gezogen, Parolen ausgegeben, die Poggenkniefe geschliffen.
    Lassen wir das. Weder kam es zu politischen Händeln, deutschpolnischen Messerstechereien, noch zur Milieuattraktion einer handfesten, aus sozialen Mißständen geborenen Meuterei. Brav Kohlen fressend machte die »Radaune« ihren Weg, lief einmal —es war, glaub ich, kurz hinter Plock — auf eine Sandbank, konnte aber mit eigener Kraft wieder freikommen. Ein kurzer, bissiger Wortwechsel zwischen dem Kapitän Barbusch aus Neufahrwasser und dem ukrainischen Lotsen, das war alles — und das Bordbuch wüßte kaum mehr zu berichten.
    Müßte und wollte ich ein Bordbuch für Koljaiczeks Gedanken oder gar ein Journal des Dückerhoffschen, sägemeisterlichen Innenlebens führen, gäbe es Wechsel und Abenteuer genug, Verdacht und Bestätigung, Mißtrauen und fast gleichzeitiges, eiliges Beschwichtigen des Mißtrauens zu beschreiben. Angst hatten alle beide. Dückerhoff mehr als Koljaiczek; denn man befand sich in Rußland. Dückerhoff hätte, wie einst der arme Wranka, über Bod fallen können, hätte — und jetzt sind wir schon in Kijew — auf den Holzplätzen, die so groß und unübersichtlich sind, daß man seinen Schutzengel in solch hölzernem Irrgarten verlieren kann, unter einen Stoß sich plötzlich lösende, durch nichts mehr aufzuhaltende Langhölzer geraten — oder auch gerettet werden können. Gerettet von einem Koljaiczek, der den Sägemeister zuerst aus dem Pripet oder Bug gefischt, der den Dückerhoff im letzten Augenblick auf dem schutzengelarmen Holzplatz in Kijew zurückgerissen und dem Verlauf der Langholzlawine entzogen hätte. Wie schön wäre es, jetzt berichten zu können, wie der halbertrunkene oder fast zermalmte Dückerhoff noch schwer atmend und eine Spur Tod im Auge bewahrend, dem angeblichen Wranka ins Ohr geflüstert hätte: »Dank Koljaiczek, Dank!« dann, nach der notwendigen Pause: »Jetzt sind wir quitt — Schwamm drüber!«
    Und sie hätten sich herb freundschaftlich, verlegen lächelnd und fast mit Tränen zwinkernd in die Männeraugen gesehen, hätten einen scheuen, aber schwieligen Händedruck gewechselt.
    Wir kennen diese Szene aus betörend gut fotografierten Filmen, wenn es den Regisseuren einfällt, famos schauspielernde, feindliche Brüder zu fortan durch dick und dünn gehenden, noch tausend.
    Abenteuer bestehenden Spießgesellen zu machen.
    Koljaiczek aber fand weder Gelegenheit, den Dückerhoff ertrinken zu lassen, noch ihn den Klauen des rollenden Langhölzertodes zu entreißen. Aufmerksam und um den Vorteil seiner Firma bedacht, kaufte Dückerhoff in Kijew das Holz ein, überwachte noch die Zusammenstellung der neun Flöße, teilte, wie üblich, unter den Flißacken ein ordentliches Handgeld russischer Währung für die Talfahrt aus und setzte sich dann in die Eisenbahn, die ihn über Warschau, Modlin, Deutsch-Eylau, Marienburg, Dirschau zu seiner Firma brachte, deren Sägerei im Holzhafen zwischen der Klawitterwerft und der Schichauwerft lag.Bevor ich die Flößer nach Wochen ernsthaftester Arbeit von Kijew die Flüsse, den Kanal und endlich die Weichsel bergab kommen lasse, überlege ich mir, ob Dückerhoff sicher war, im Wranka den Brandstifter Koljaiczek erkannt zu haben. Ich möchte sagen, solange der Sägemeister mit dem harmlosen, gutwilligen, trotz seiner Beschränktheit allgemein beliebten Wranka auf einem Dampfer saß, hoffte er, einen zu allem Frevel entschlossenen Koljaiczek nicht zum Reisegenossen zu haben. Diese Hoffnung gab er erst in den Polstern des Eisenbahncoupes auf. Und als der Zug sein Ziel erreichte, im Hauptbahnhof Danzig — jetzt sprech ich es aus — einrollte; hatte Dückerhoff seine Dückerhoffschen Beschlüsse gefaßt, ließ seine Koffer in eine Kutsche packen, nach Hause rollen, ging forsch, weil ohne Gepäck, zum nahen Polizeipräsidium am Wiebenwall, nahm dort springend die Treppen zum Hauptportal, fand nach kurzem sensiblem Suchen jenes Zimmer, welches sachlich genug eingerichtet war, dem Dückerhoff einen knappen, nur Tatsachen nennenden Bericht abzunötigen. Nicht etwa, daß der Sägemeister Anzeige erstattete.
    Schlicht bat er, den Fall Koljaiczek-Wranka zu prüfen, was ihm von der Polizei versprochen wurde.
    Während der folgenden Wochen, da das Holz mit den Schilfhütten und den Flößern

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