Die blonde Geisha
kennen lernen wollte.
Interessiert betrachtete ich die angespannten Muskeln seiner Arme, nackt und angenehm für meine Augen, genauso wie seine kräftig aussehenden Beine. Was mich am meisten faszinierte, war aber das dunkelblaue Leinentuch, das er um seinen Köper geschlungen hatte.
Meistens sei der Bahnhof voller Rikschafahrer, die auf die Reisenden warteten, erklärte Vater, als er mein Interesse an dem jungen Mann bemerkte. Sie wären gut informiert und wüssten genau, wann welche Reisende ankämen, welche Häuser auf dem Weg lägen, welche Theaterstücke gespielt würden und sogar, wann die Kirschblüten aufbrechen würden.
Abgesehen von diesem Jungen, war der Bahnhof heute allerdings verwaist, nur er war mutig genug, durch diesen Regen zu laufen.
Er hielt vor uns und verbeugte sich tief.
Ich hatte oft gehört, wie englische Damen die Rikschafahrer als schmutzige, barfüßige Kulis bezeichnet hatten. Wie konnte das sein? Doch nicht dieser Junge! Ich schloss die Augen und ließ meine Gedanken durch die flüsternde Dunkelheit streifen. Ein unwiderstehliches Verlangen wuchs in mir, ich sehnte mich nach etwas, irgendetwas, wusste aber nicht genau, was. Als ob ein unsichtbarer Geist mit kühlen Fingern eisige Tautropfen auf meinen nackten Bauch fallen und mich vor Wonne zusammenzucken ließe.
Meine Neugier ließ mich die Augen rasch wieder öffnen. Gespannt reckte ich den Hals, um diesen Jungen, der den großen zweirädrigen Wagen zog, besser sehen zu können. Aber sein Gesicht war unter einem Strohhut mit breiter Krempe verborgen.
Doch der Junge sollte nicht die einzige Überraschung des heutigen Tages sein. Ohne ein Wort schob mich mein Vater plötzlich in den schwarz überdachten Wagen. Ich hielt ehrfürchtig die Luft an. Erregung ergriff mich. Nur Geishas war es erlaubt, in einer Rikscha zu fahren. Ich hätte schwören können, dass ich den Duft ihres Kamelienöls noch riechen konnte.
Ich stellte mir vor, eine schöne Geisha zu sein, schloss die Augen und lehnte den Kopf nach hinten. Was würde ich tun, wenn ich einen gut aussehenden jungen Mann träfe, mein Gesicht gerötet, meine Brüste prall, die Spitzen aufgerichtet, mein Hals trocken?
Würde ich mich hinlegen und meine Beine spreizen, während mein Liebhaber sich zwischen meine Schenkel kniete, die Hände auf die Strohmatte gestützt?
Oder würde er sich auf den Rücken legen und mich auf sich ziehen?
In tiefen Zügen atmete ich den frischen Duft des Regens ein. Ich fand diese Vorstellung romantisch und höchst erfreulich, doch mein Lächeln verblasste, als ich sah, wie mein Vater mich anstarrte.
“Ich bin beunruhigt, Kathlene. Irgendetwas stimmt nicht. Niemand vom Tempel ist gekommen, um uns zu begrüßen.” Er rieb sich das Kinn. “Ich habe keine andere Wahl, als mich darauf zu verlassen, dass dieser Junge uns zu unserem Ziel bringt.”
“Ich vertraue ihm, Vater.” Ich grinste, als der Rikschafahrer sich umdrehte, seinen Kopf ein wenig hob und mir zulächelte. Dann lehnte ich mich erleichtert im Sitz zurück. Er war nicht viel älter als ich. Und tatsächlich hübsch.
Mein Vater konnte mich doch ganz sicher nicht für immer in einem Nonnenkloster verstecken? Ich war beunruhigt, Angst kroch meine Haut hinauf und hinab wie winzige goldgrüne Käfer.
Wie sollte ich jemals eine Geisha werden, wenn ich in einem Kloster eingesperrt war? Nonnen wurden von den Besuchern ferngehalten und verbrachten ihre Zeit mit Meditieren und den Arrangements von Blumen, nicht damit, die Muskeln eines Rikscha-Jungen zu begaffen. Als ob die Götter mich daran erinnern wollten, dass ich keine Wahl hatte, grollte Donner über uns.
Ich hörte, wie mein Vater dem Fahrer Anweisungen gab, wohin er uns bringen sollte. Der Junge nickte, verneigte sich dann tief, bevor er das Verdeck aus Wachstuch zuzog, um uns vor dem Regen zu schützen.
“Schnell, schnell!” rief Vater drängend und sprang in den Wagen.
Der Junge hob die Achse, das Vehikel kippte nach hinten, dann trabte er los.
Die gefährlich schnelle Fahrt durch die schmalen Gassen, lenkte mich von den Grübeleien über mein Schicksal ab. Ich fand es ungewöhnlich, dass der Junge die wenigen Passanten nicht anschrie, aus dem Weg zu gehen, wie die meisten Fahrer es taten. Stattdessen rannte er schweigend, und sein schwerer Atem entzückte meine Ohren. Ich versuchte weiterhin, sein Gesicht zu sehen, aber immer wenn ich den kleinen Vorhang nur ein winziges Stück zur Seite zog, drückte mich mein Vater zurück
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