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Die blonde Witwe

Die blonde Witwe

Titel: Die blonde Witwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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Begräbnis eines Selbstmörders zu gehen, als irgendwo mit Ihnen von Ihrer Pension, die Sie als Offizier doch bekommen, neu anzufangen?«
    Er legte die Gabel auf den leeren Teller, schob ihn weg, trank einen Schluck Rotwein und schüttelte den Kopf.
    »Es geht nicht darum, wie ich oder ob ich mich umbringe. Es geht darum, meiner Frau den Besitz zu retten. Ich brauche die Auszahlung meiner Lebensversicherung. Ich bin auf eine halbe Million versichert. Dieser Betrag wird aber bei Selbstmord nicht ausgezahlt.«
    Ich begann ihn zu verstehen.
    »Deshalb suchen Sie jetzt sozusagen einen Mörder, Ihren eigenen Mörder, gegen entsprechendes Honorar.«
    »So ungefähr.«
    Unsere Gläser waren leer. Er bestellte Whisky für sich und mich. Eigentlich, dachte ich, ist er ein toller Bursche. Doch nicht nur eine Kugel in den Kopf und aus — nein, er wollte mit seinem Tod gutmachen, was er verkorkst hatte. Er war mir plötzlich sympathischer.
    »Gut«, sagte ich. »Vermutlich habe ich Sie verstanden. Aber ich fürchte, daß ich ungeeignet zum Mörder bin. Ich könnte Ihnen niemals eine Kugel in den Kopf schießen. Und — ehrlich gesagt — das Risiko ist mir zu hoch.«
    Er nickte.
    »Damit habe ich gerechnet. Es gibt auch noch eine andere Möglichkeit für Sie, die dreitausend Mark zu verdienen. Ich bin einundsechzig Jahre alt und habe keine Angst mehr vor dem Tode. Es geht mir nur um meine Frau. Ich bin bereit, mich selber zu erschießen, aber es darf dann nicht als Selbstmord erkannt werden. Sie müßten mir helfen. Sie müßten die Pistole wegschaffen.«
    Ich nahm mir die zwölfte Zigarette und bot ihm meine Packung an.
    »Danke«, sagte er, »ich bin Nichtraucher. Es dreht sich jetzt nur darum, ob Sie Mumm genug haben, einen Versicherungsbetrug zu begehen.«
    Ich dachte nach. Dreitausend Mark war viel Geld für mich. Und die Versicherungen? Ich sagte: »Seit über einem Jahr streite ich mich mit der AVAG wegen eines Kotflügels herum. Sie will ihn mir nicht ersetzen, obwohl er ohne meine Schuld bei einem Unfall kaputt gegangen ist. Diese Burschen wissen genau, daß ich mir einen jahrelangen Prozeß gegen sie nicht leisten kann. Warum lachen Sie?«
    »Sagten Sie eben AVAG?«
    »Ja, die Allgemeine Versicherungs-AG.«
    Er lachte noch immer.
    »Gerade um die handelt es sich. Der Kotflügel könnte die Versicherung jetzt eine halbe Million kosten — wenn Sie einverstanden sind.«
    Ich dachte an den Palast in der Ludwigstraße, an Marmortreppen, Teakholzbüros, Spiegelglas und schwere Teppiche in den Direktionsbüros. Es tat niemandem weh, wenn die AVAG eine halbe Million zahlen mußte.
    »Vielleicht«, sagte ich, »vielleicht könnte ich mitmachen. Es würde sich also, streng genommen, nicht um Beihilfe zum Selbstmord, sondern um Beihilfe zu einem Versicherungsbetrug handeln.«
    Er nickte gelassen.
    »Wie Sie sagen: streng genommen, ja. Haben Sie Skrupel?«
    Hatte ich welche? Ich glaube, die Versicherungs-Gesellschaft war mir herzlich gleichgültig. Weder der Generaldirektor noch das letzte Lehrmädchen würden weniger verdienen, wenn sie eine halbe Million Mark Versicherungssumme bezahlen mußte. Auch würden sämtliche eingebeulten Kotflügel wie bisher bezahlt oder nicht bezahlt werden. Und für mich waren es dreitausend Mark; es waren die Miete, die Schulden an meiner Tankstelle, die Schulden beim Milchmann und beim Lebensmittelgeschäft.
    »Sie haben Bedenken?« hörte ich ihn fragen. »Hätte ich an Ihrer Stelle auch. Es darf für Sie kein Risiko drin sein. Auch das habe ich genau durchdacht. Ihre Chancen sind folgende: erstens bringt uns niemand in Zusammenhang miteinander. Kein Mensch außer uns beiden weiß etwas von unserem Gespräch. Zweitens: niemand außer Ihnen und mir wird wissen, wann und wo ich — ich mich erschieße. Ich werde es an einem Ort tun, der es Ihnen ohne jede Gefahr ermöglicht, die Pistole an sich zu nehmen. Sie werfen die Waffe anschließend fort, gehen nach Hause, und damit ist der Fall für Sie erledigt. Die Polizei wird selbstverständlich einen Mörder suchen.« Er lächelte wieder, kalt und überlegen. Es war ein Lächeln, das mir nun fast so etwas wie Hochachtung abnötigte. »Was glauben Sie, wie viele Mörder die Polizei nicht findet? Es wird einer mehr sein, das ist alles.«
    »Alles? Und dieser tätowierte Bursche an der Theke — er kennt Sie doch?«
    Er schüttelte lächelnd den Kopf.
    »Keine Spur. Ich habe ihn nur gefragt, ob er nicht einen intelligenten jungen Mann für mich wisse,

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