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Die Bluterbin (German Edition)

Die Bluterbin (German Edition)

Titel: Die Bluterbin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hildegard Burri-Bayer
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Marie zu verlieren, nachdem er sie gerade erst gefunden hatte, machte ihn rasend, und er hatte das Gefühl, sofort etwas unternehmen zu müssen.
    „Ich muss jetzt gehen, aber vorher möchte ich Euer Versprechen, dass Ihr nie wieder vor mir weglaufen werdet.“
    Marie versprach es und sah ihm nach, wie er mit großen Schritten davonging und durch den Park eilte. Roberts Verhalten hatte ihr gezeigt, dass er sie ebenso sehr liebte wie sie ihn, und doch durfte diese Liebe nicht sein. Obwohl sie wirklich war, war sie gleichzeitig doch nur ein Traum, den sie nicht leben, den ihr aber auch niemand nehmen konnte und den sie für immer tief in ihrem Herzen verschließen wollte.

12
    Elsa hatte lange nachgedacht und sich dann dazu entschlossen, alles zu tun, um Marie zu helfen. Ein Gedanke war in ihr herangereift, der sie nicht mehr losließ, und schließlich machte sie sich an seine Umsetzung. Sie wartete bis zum nächsten Sonntag.
    Gleich nach dem Kirchgang, nachdem sich Eleonore und die anderen Familienmitglieder zurückgezogen hatten, schlich sie sich leise aus dem Haus. Unter ihrem Umhang trug sie einen kleinen Beutel, in dem sie ihre gesamten Ersparnisse aufbewahrte.
    Ihr Herz klopfte ihr ungestüm in der Brust, und ihr Mund war vor lauter Aufregung ganz trocken, als sie durch die engen Gassen hindurch zum Nordtor eilte. Düster ragte der hohe Wachturm vor ihr auf und warf seinen langen Schatten auf die farbenprächtigen Kleider der jungen Leute, die, wie jeden Sonntag, das Bild um die Stadttore herum beherrschten.
    Die jungen Mädchen waren eine willkommene Abwechslung für die Wachposten, die ihnen derbe Sprüche nachriefen und sich an ihrem Anblick erfreuten.
    Niemand behelligte Elsa, als sie durch das Tor lief, hinter dem sich eine weite Sumpflandschaft auszubreiten begann. Elsa bog in einen schmalen Pfad abseits der trockengelegten Wege ein. Der gefrorene Boden verhinderte, dass sie in dem knöcheltiefen Matsch versank, der den Weg vom Frühjahr bis zum Herbst normalerweise schwer passierbar machte. So schnell sie konnte, lief sie weiter. Ab und zu blieb sie keuchend stehen und schnappte nach Luft. Sie musste sich beeilen, wenn sie wieder zurück sein wollte, bevor die schweren Stadttore am Abend wieder geschlossen werden würden.
    Die Sonne stand schon tief am Himmel, als sie endlich die tiefer gelegenen Sümpfe erreichte.
    Unberührt von den Schaufeln der Mönche glänzte die tiefschwarze Erde hier tückisch wie der Abgrund der Hölle und war bereit, jeden zu verschlingen, der unvorsichtig genug war, vom schmalen Pfad abzukommen. Nur wenige verzweifelte Menschen verirrten sich hierher.
    Aber Elsa hatte keine Augen für die eigenartige Schönheit der unberührten Natur um sich herum, sondern konzentrierte sich ganz auf ihren gefährlichen Weg. Endlich sah sie die knorrigen Weiden vor sich auftauchen, die sich gebückt wie drei alte Frauen aneinanderzuklammern schienen, und wusste: Von hier aus war es nicht mehr weit.
    Aus der kleinen windschiefen Hütte, die sich wie ein Kuhfladen in eine kleine Kuhle schmiegte und von hoch wachsendem Schachtelhalm geschützt war, stieg eine kaum sichtbare Rauchwolke in den klaren Himmel auf.
    Elsa schnappte nach Luft. Die Aufregung schnürte ihr beinahe die Kehle zu. Vorsichtig trat sie näher an die aus Lehm gebaute Hütte heran.
    Das verwitterte, mit Gras gedeckte Dach reichte bis weit über die schief in den Angeln hängende Türe herab. Eine fette Katze lag träge in der untergehenden Sonne. Als sie Elsa bemerkte, öffnete sie ihre grünen Augen einen Spalt weit, machte sich aber nicht die Mühe aufzustehen. Nur ihr Schwanz bewegte sich leise drohend auf und ab.
    Die Augen der Katze folgten ihr, als sie durch die halb geöffnete Türe trat.
    Elsa brauchte einen Augenblick, bis sich ihre Augen an das Halbdunkel des niedrigen Raumes gewöhnt hatten. Über dem Feuer in der Mitte der Hütte hing ein großer eiserner Kessel, dem einige undefinierbare Gerüche entströmten.
    Eine alte Frau saß zusammengesunken an einem grob zusammengezimmerten Tisch. Sie schien eingeschlafen zu sein. Vorsichtig trat Elsa näher. Die Decke und die Wände der Hütte waren mit unzähligen zu Sträußen zusammengebundenen Kräutern und Pflanzen übersät, deren intensiver Duft Elsa den Atem zu nehmen drohte. Ihre Nase wehrte sich, indem sie heftig zu jucken begann und sich schließlich in einem befreienden Niesen entlud.
    Die alte Frau schreckte auf. Strähnige graue Haare hingen ihr wirr um den Kopf

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