Die Bluterbin (German Edition)
bis auf die Schultern herab. Sie trug einen aus Flicken zusammengesetzten schmuddeligen Umhang, der ihr bis hinunter auf die dürren Knöchel reichte, und ihre bloßen Füße waren mit ein paar Lappen umwickelt.
Schnüffelnd hob sie ihren Kopf.
„Wer ist da?“, schnarrte sie.
„Ich bin gekommen, um dich um Hilfe zu bitten“, erwiderte Elsa, deren Hals vor lauter Aufregung ganz ausgetrocknet war. Ob es wirklich stimmte, dass sich die Sumpfmalfica * , wie sie allgemein genannt wurde, tatsächlich in einen Raben verwandeln und in die Lüfte erheben konnte? Sie hatte schon die verschiedensten Gerüchte darüber gehört, und die Frauen erzählten sich unter vorgehaltener Hand die unglaublichsten Dinge über sie.
Viele von ihnen waren schon heimlich von ihren Herrinnen in die Sümpfe geschickt worden, um dort das eine oder andere Mittel von ihr zu erwerben, das seine Wirkung bei Problemen mit dem Ehemann oder gegen andere den Frauen vorbehaltene Leiden tun sollte.
So förderte Menstruationsblut, dem Mann heimlich ins Essen gemischt, dessen Potenz. Blüten von Weiden oder Pappeln führten hingegen unweigerlich zur Dämpfung seines Verlangens. Wenn man sich jedoch vor dem Ehemann und seinen Gelüsten ekelte, beraubten vierzig Ameisen, im Saft einer Narzisse gekocht, diesen für immer seiner Manneskraft.
Die Sumpfmalfica wusste auf alles einen Rat und hielt für jeden die passenden Kräuter oder ein Töpfchen mit Salbe bereit.
Die geröteten Augen in dem faltigen Gesicht musterten Elsa prüfend. „Kannst du bezahlen?“
Elsa nickte eifrig und zog den kleinen Beutel unter ihrem Umhang hervor. Sie öffnete ihn und brachte sieben Silberpfennige zum Vorschein, die sie vor der Alten auf den Tisch legte.
Die Sumpfmalfica nickte zufrieden.
„Setz dich.“ Mit ihrer knochigen, von Gicht verkrümmten Hand wies sie auf einen dreibeinigen Schemel.
Elsa kam ihrer Aufforderung nach und ließ sich auf dem Schemel nieder.
„Es geht um meine kleine Marie. Sie ist zart und sanft wie ein Engel und hat noch nie in ihrem Leben jemandem etwas zuleide getan. Doch Gott hat sie mit einer merkwürdigen Krankheit gestraft. Von jetzt auf gleich wird ihr zarter Körper von schrecklichen Krämpfen geschüttelt, dass es einem das Herz zerreißt. Die Leute sagen, sie wäre von Dämonen besessen, aber das stimmt nicht. Meine Marie ist so rein und unschuldig wie die Heilige Jungfrau selbst.“
Erwartungsvoll sah sie der Alten in die rot geränderten Augen. Ob sie ihr helfen konnte?
Die Augen der Sumpfmalfica wurden dunkel vor Erregung. Ein scharfer Windstoß fuhr in die Hütte und drückte den Rauch des Feuers, der durch eine kleine Öffnung im Dach entwich, in den Raum zurück.
Ängstlich blickte Elsa zu der Alten hinüber. Der Qualm breitete sich wie eisiger Nebel in der ganzen Hütte aus, beinahe als ob der Atem des Leibhaftigen sie streifen würde, und Elsa wurde es unheimlich zumute.
Kalte Schauer liefen ihr über den Rücken, und ihre Nackenhaare stellten sich auf.
Aber die Alte schien sie nicht mehr wahrzunehmen. Ihr Blick war seltsam leer.
Schlotternd vor Angst wartete Elsa ab, was weiter geschehen würde.
Plötzlich fing die Sumpfmalfica zu singen an. Ihre Stimme stieg hell und klar wie die eines Kindes in die Luft, und sie sang in einer fremden Sprache aus einer längst vergessenen Zeit. Mitten im Lied brach sie jedoch ab und begann wie wild zu kichern. Es war ein krächzendes Lachen, das Elsa die Haare zu Berge stehen ließ. Mit trüben Augen starrte die Alte sie an.
„Der Teufel sitzt in der Kathedrale. Er wird sich deine Marie holen.“
Elsa graute es. Voller Furcht und Entsetzen bekreuzigte sie sich.
Die Augen der Sumpfmalfica wurden klarer. Sie strich sich einige Strähnen aus dem Gesicht und richtete sich auf.
Der verwirrte Eindruck, den sie eben noch gemacht hatte, wich einer grimmigen Entschlossenheit.
„Ich habe das Mädchen auf dem Markt gesehen. Es gibt nur wenige wie sie, und immer tauchen sie dort auf, wo sich das Böse befindet.“
Elsa begriff nicht, was die Sumpfmalfica meinte. Ihre Augen fielen auf den grünlich schimmernden runden Anhänger der Alten, auf dem sich merkwürdig ineinander verschlungene Linien befanden.
„Gott schickt die Unschuld, um das Böse aufzuwiegen.“ Die Stimme der Sumpfmalfica wurde kalt vor unterdrücktem Zorn. „Diese verblendeten Kirchenfürsten und Pfaffen begreifen nicht, dass der Heilige Berg den Göttern der Biturigen gehört, einem untergegangenen Volk aus der
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