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Die Bluterbin (German Edition)

Die Bluterbin (German Edition)

Titel: Die Bluterbin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hildegard Burri-Bayer
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krankhaft ausgeprägter Gerechtigkeitssinn ihn des Öfteren zu unerbittlicher, wenn nicht sogar grausamer Härte antrieb.
    Zufrieden bemerkte er, dass Ludwig zögerte. Der König hatte seine List durchschaut und wollte sich nun keine Blöße vor ihm geben.
    In einer Situation wie dieser musste Ludwig stets an seinen Großvater Philipp August denken, den er sehr verehrt hatte. Dieser hatte ihn gelehrt, dass ein gottgefälliger König in allem, was er tat, Maß halten musste.
    Also schluckte Ludwig seinen Zorn hinunter und bewies seinem Seneschall damit, dass er sich sehr wohl zu beherrschen wusste.
    Er nickte ihm zu, trieb sein Pferd an und entfernte sich, gefolgt von Joinville, ein Stück vom übrigen Tross. Warme Winde umschmeichelten sein Gesicht, und das fröhliche Gezwitscher der Vögel klang verheißungsvoll in seinen Ohren.
    Im letzten Jahr hatte er von den Benediktinermönchen der Abtei Psalmodi ein Stück Land erworben, wobei sich die Verhandlungen als nicht besonders schwierig erwiesen hatten, weil das Land überwiegend aus Sumpf bestand und die Mönche damit ohnehin nicht viel anzufangen gewusst hatten.
    König Ludwig verfolgte damit jedoch ein ehrgeiziges Projekt für den von ihm geplanten Kreuzzug. Er hatte beschlossen, in dem angrenzenden kleinen Fischerdorf Aigues-Mortes seinen eigenen Hafen zu bauen, der ihn von den anderen in Frage kommenden, politisch wenig zuverlässigen Häfen inner- und außerhalb seines Reiches unabhängig machen sollte.
    So von dem Hafen in Narbonne, der in dem Einflussbereich der mächtigen Grafen von Toulouse lag, und dem von Montpellier, wo ihm der aragonesische Einfluss gefährlich werden konnte. Ebenso wenig kam Marseille, wo dennoch viele Kreuzfahrer an Bord gingen, für ihn in Frage, genauso wenig wie Genua, der alte Kreuzzugshafen, den Philipp August für seinen Kreuzzug genutzt hatte.
    Ludwig begann damit, Aigues-Mortes zu einer Hafenstadt auszubauen, und ließ von dort aus einen Kanal zum Meer graben. Während der Hafen in größter Eile fertig gestellt wurde, ließ er in Genua und Venedig Schiffe für den Truppentransport ankaufen.
    Um die für Ausrüstung und Lebensmittelversorgung des Kreuzfahrerheers notwendigen Mengen an Rohstoffen, insbesondere Salz und Holz, nach Aigues-Mortes schaffen zu können, gewährte Ludwig den Montpellianern als Entschädigung für die Konkurrenz, die ihnen durch den neuen Hafen entstand, wesentliche Steuer- und Zollvorteile. Mit einer Mischung aus Schmeichelei, Zugeständnissen und Gewalt nahm er die Cevennenstraße für seine Zwecke ein, indem er alle Wegezölle aufhob und die Ausrodung der Region befahl. Anschließend kaufte er die gesamten Vorräte an Wein und Weizen der Umgebung auf und ließ sie in seine neu erbauten Lagerräume schaffen.
    Um die Finanzierung zu sichern, forderte er von den Städten und Kirchen Kreuzzugssteuern und traf auch Vereinbarungen mit den Tempelrittern und den italienischen Bankiers, um jederzeit und unbehindert Gelder aus dem königlichen Schatz ins Heilige Land transferieren zu können.
    Er sehnte sich danach, endlich das Versprechen einzulösen, das er seinem Herrn und Schöpfer einst voller Dankbarkeit auf dem Krankenbett gegeben hatte: das Heilige Land für immer von den gottlosen Moslems zu befreien. „Wenn das so weitergeht, werden wir Bourges heute nicht mehr erreichen“, bemerkte Joinville.
    Ludwig erwiderte daraufhin zunächst kein Wort, und sein schmales, lang gezogenes Gesicht mit dem eckigen Kinn, das von dunkelgrauen, melancholischen Augen beherrscht wurde, blieb völlig unbewegt.
    Bereits als Knabe hatte er sein Leben in den Dienst Gottes gestellt. Seitdem strebte er die vollkommene Frömmigkeit an. Sein Zorn über die gotteslästerlichen Flüche des Wagenlenkers war für den Moment jedoch vergessen, denn er dachte über eine weitaus wichtigere Angelegenheit nach, seinen ersten Kreuzzug. Dieser Kreuzzug war sein heiligstes Ziel, und er konnte es kaum noch erwarten, ihn endlich zu starten.
    Sie waren bereits seit mehreren Wochen unterwegs, und es würden nochmals weitere vergehen, bis sie wieder nach Paris zurückkehren würden. Er drehte sich zu Joinville um und meinte schließlich:
    „Wir beide werden vorausreiten und uns unters Volk mischen. Ich möchte mir selbst ein Bild von der Stimmung in der Stadt machen.“
    König Ludwig gedachte die Rückreise zu nutzen, um Werbung für seinen Heiligen Krieg zu machen. Er hatte Kundschafter mit dem Auftrag vorausgesandt, die Barone und Grafen

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