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Die Blutgraefin

Die Blutgraefin

Titel: Die Blutgraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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kam ihm zuvor. Er wandte sich in gleichermaßen befehlendem wie
herrischem Ton an seinen Sohn: »Warum gehst du nicht zusammen
mit deinen Brüdern nach draußen und siehst nach dem Rechten?«,
fragte er.
Stanik starrte ihn eine Sekunde lang voll unverhohlener Wut an,
doch dann sprang er zu Andrejs Überraschung mit einem Ruck auf
und stapfte aus dem Haus. Nur einen Augenblick später folgten ihm
seine Brüder, doch Ulric ließ noch einmal etliche Sekunden verstreichen, bevor er sich mit einer um Vergebung bittenden Geste wieder
an sie wandte.
»Ihr müsst meinen Sohn verstehen«, sagte er.
»So?«, fragte Andrej spröde. »Müssen wir das?«
Ulric biss sich auf die Unterlippe. Andrej konnte sehen, wie schwer
es ihm fiel, weiterhin die Fassung zu bewahren. Doch er beließ es
auch jetzt bei einem angedeuteten Schulterzucken. »Er ist jung«,
sagte er, als sei das Erklärung und Entschuldigung zugleich für alles,
was bisher geschehen war. »Und er ist verliebt«, fügte er noch hinzu.
»Waren wir das nicht alle einmal?«, fragte Abu Dun.
»Was?«, fragte Ulric. »Jung - oder verliebt?«
»Beides.«
»Vermutlich«, antwortete Ulric. »Nur wurde den meisten von uns
nicht die Frau genommen, die uns versprochen war.« Er wies auf die
Tür, durch die Stanik verschwunden war. »Der alte Niklas hatte nicht
nur drei Söhne, sondern auch zwei Töchter.«
»Niklas? Der Tote im Wald?«
Ulric nickte. »Ja. Seine älteste Tochter war Stanik versprochen,
schon als sie beide noch Kinder waren. Sie ging vor zwei Wochen
auf das Schloss der Hexe, und seither hat sie niemand mehr gesehen.«
»Und nun glaubt Ihr, diese… Hexe hat etwas mit ihrem Verschwinden zu tun?«, fragte Andrej.
»Elenja ist nicht die Erste«, erwiderte Ulric. »Die Hexe ist vor acht
Monaten hier aufgetaucht. Seither sind mehrere junge Frauen verschwunden. Immer bei Neumond, und immer standen sie in den
Diensten der Hexe oder wurden zuletzt in der Nähe ihres Hauses
gesehen.«
Abu Dun wollte etwas sagen, doch Andrej kam ihm zuvor. »Wenn
das wirklich so ist, warum wendet Ihr Euch dann nicht an die Obrigkeit?«, fragte er. »Gibt es in Fahlendorf keinen Grafen oder Baron
oder sonst etwas in der Art?«
Ulric lachte. Es klang nicht sehr heiter. »Die Obrigkeit?« Er machte
ein abfälliges Geräusch. »Ihr müsst wirklich von sehr weit her kommen, wenn Ihr glaubt, dass sich die Mächtigen für die Geschicke von
einfachen Leuten wie uns interessieren. Wir waren in der Stadt. Sie
haben uns davongejagt und gedroht, den Nächsten zu hängen, der es
wagt, ohne Beweise eine solch ungeheuerliche Anschuldigung gegen
die Gräfin vorzubringen.«
»Aber wenn Ihr beweisen könnt, dass all diese jungen Frauen verschwunden sind, nachdem sie in den Dienst dieser Frau getreten
sind…«, begann Andrej, wurde aber sofort wieder von Ulric unterbrochen.
»Nicht alle von ihnen standen in ihren Diensten«, sagte er. »Elenja
war eine davon. Sonja - Niklas’ jüngere Tochter - eine andere. Sie
verschwand vor vier Monaten.«
»Trotzdem hat Niklas auch noch seine zweite Tochter zu ihr geschickt?«, fragte Andrej zweifelnd. »Das kommt mir nicht sehr
glaubhaft vor.«
»Genau das hat der Kommandant der Miliz von Fahlendorf auch
gesagt«, antwortete Ulric bitter. »Er hat Niklas fünf Stockschläge
gegeben und ihn davonjagen lassen. Daraufhin ist Niklas mit seinen
Söhnen und Knechten zum Schloss der Blutgräfin gegangen, um
nach seinen Töchtern zu suchen. Den Rest kennt Ihr.«
»Ihr glaubt, sie hätte all diese Männer getötet?«
»Nicht sie«, sagte Ulric. »Dieser Dämon, der in ihren Diensten
steht.«
Andrej hob nur die linke Augenbraue, aber Abu Dun sagte spöttisch: »Vorhin war es noch der Teufel. Jetzt ist es ein Dämon. Vielleicht solltest du dich allmählich entscheiden.«
»Wahrscheinlich ist es ein ganz normaler Mensch, wie ich und Ihr«,
antwortete Ulric. »Trotzdem ist er Dämon und Teufel in einem.
Niemand kann ihn besiegen. Keiner von uns jedenfalls. Ich habe gesehen, wie er ganz allein drei Männer erschlagen hat, mit seinen bloßen Händen. Und Ihr habt gesehen, was er Niklas und seinen Söhnen
angetan hat.«
»Und jetzt erwartet Ihr, dass wir hingehen und diesen Mann töten -
der doch angeblich unbesiegbar ist?«
»Nur für uns«, entgegnete Ulric. Er klang jetzt eine Spur nervöser
als noch vor einem Augenblick, und er wich Andrejs Blick aus. »Wir
sind keine Krieger. Ihr schon.«
»Ihr erwartet also, dass wir unser Leben für Euch aufs

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