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Die Blutgraefin

Die Blutgraefin

Titel: Die Blutgraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Wolfgang Hohlbein
Die Blutgräfin
Die Chronik der Unsterblichen
Teil 6
    © Egmont vgs Verlagsgesellschaft, Köln 2004 Alle Rechte vorbehalten.
Umschlaggestaltung: www.alexziegler.de Titelfoto: © Simon Marsden
Lektorat: Bettina Oder
Produktion: Lisa Hardenbicker
Satz: Greiner & Reichel, Köln
Druck: Clausen & Bosse, Leck
ISBN 3-8025-2935-9
Das Buch
    Noch immer ist das Rätsel ihrer Herkunft für den Unsterblichen
Andrej und seinen Gefährten Abu Dun nicht gelöst. Auf ihrer Reise
gelangen sie in ein abgelegenes Dorf, dessen Bewohner allen Fremden mit Misstrauen begegnen, da sich im Umkreis des Ortes mehrere
seltsame Todesfälle ereignet haben. Ihr Wunsch, den verängstigten
Menschen zu helfen, bringt Andrej und Abu Dun in Lebensgefahr,
als sie auf den undurchschaubaren Blanche treffen, mit dem sie sich
einen Kampf auf Leben und Tod liefern. Er ist möglicherweise für
die bestialischen Morde verantwortlich, aber zugleich vielleicht der
Einzige, der ihnen mehr über Abstammung und Wesen der Unsterblichen verraten kann.
Es war die bei weitem größte Eule, die Andrej jemals gesehen hatte. In aufrechter Haltung würde sie ihm mühelos bis zum Oberschenkel reichen, und ihre Spannweite übertraf vermutlich die eines Adlers. Obwohl es sich unverkennbar nicht um eine Schneeeule handelte, war ihr Gefieder von einem so strahlenden Weiß, dass es fast
schon in den Augen schmerzte, sie anzusehen. Ihr Schnabel, von dem
zähflüssig rotes Blut tropfte, machte den Eindruck, als könne sie damit mühelos einem erwachsenen Mann die Hand zermalmen. Aber
das war längst nicht das einzig Außergewöhnliche an dieser Eule.
    Andrej kannte sich weder mit Greifvögeln im Allgemeinen noch
mit Eulen im Besonderen gut aus, doch er wusste, dass diese Tiere
normalerweise nicht tagsüber auf die Jagd gingen und selbst während
der Nacht eher scheu waren. Diese Eule jedoch zeigte keinerlei Anzeichen von Scheu oder gar Furcht, obwohl nicht der geringste Zweifel daran bestand, dass sie Abu Dun und ihn bemerkt hatte.
    Der Nubier und er befanden sich keine zehn Schritte von ihr entfernt, und sie gaben sich keine Mühe, leise zu sein oder sich gar zu
verbergen. Das Tier fuhr ohne Hast fort, große Fleischbrocken aus
dem Kadaver seines Opfers herauszureißen und hinunterzuschlingen.
In regelmäßigen Abständen hob es den Kopf und drehte ihn mit kleinen, hektischen Rucken hin und her. Andrej konnte ein eisiges
Schaudern nicht unterdrücken, als er dem Blick seiner großen, auf
eigentümliche Weise klug wirkenden Augen begegnete.
    Andrej war nicht sicher, ob Eulen Aasfresser waren oder nicht, aber
er hatte noch niemals gehört, dass sie sich an der Leiche eines Menschen vergriffen hätten.
    Diese hier tat es, was daran liegen mochte, dass ihr Tisch so überreich gedeckt war.
Aus den Augenwinkeln nahm Andrej wahr, wie sich Abu Dun nach
einem Stein bückte. Ohne die Eule auch nur einen Sekundenbruchteil
aus den Augen zu lassen, streckte er die Hand aus und hielt den Nubier zurück. »Lass das«, mahnte er kurz angebunden.
Abu Dun sah ihn verwundert an, zuckte aber dann nur mit den
Schultern und ließ den Stein fallen. »Ganz wie es Euch beliebt, oh
mächtiger Herr«, sagte er spöttisch. »Aber würdet Ihr einem dummen
kleinen Mohren wie mir auch erklären, warum Ihr so plötzlich Euer
Herz für Tiere entdeckt habt?«
Andrej blieb ernst. Wirklich beantworten konnte er Abu Duns Frage nicht, aber sein Gefühl sagte ihm, dass es unklug wäre, dieses Tier
zu reizen. »Wann hätte ich jemals ein Tier grundlos gequält oder
getötet?«, fragte er ausweichend. Um Abu Duns Antwort zu umgehen, trat Andrej rasch hinter dem Gebüsch hervor, hinter dem sie
stehen geblieben waren. Der Kopf der weißen Rieseneule drehte sich
ruckartig in ihre Richtung, und Andrej musste mehr Willenskraft
aufbieten, um ihrem Blick standzuhalten, als er sich eingestehen
mochte. Das Tier zeigte auch jetzt keine Furcht, sondern senkte nur
den Schnabel, um einen weiteren Fleischfetzen aus der Schulter des
halb nackten Toten zu reißen, auf dessen Rücken es saß, ohne Andrej
dabei aus den Augen zu lassen.
Hinter ihm ließ sich das Geräusch zerbrechender Zweige vernehmen, als auch Abu Dun aus dem Gebüsch trat. Die Eule hob den
Kopf noch ein wenig weiter. Die spitzen Federbüschel auf ihrem
Kopf bewegten sich wippend. Dann spreizte sie mit einer Schnelligkeit und Eleganz die Flügel, die Andrej bei einem Vogel solcher
Größe niemals für möglich gehalten

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