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Die blutige Sonne

Die blutige Sonne

Titel: Die blutige Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Mitglied des Kreises, dem schwachen Glied in der Kette! Es war eine lähmende Verantwortung, und die Folgen ließen Kerwin erschauern.
    Die Abschiedsformalitäten dauerten endlos, und mittendrin schlüpfte Kerwin ungesehen davon, zurück durch die Höfe und den schimmernden Nebel des Schleiers.
    Es war eine zu schwere Bürde für ihn, daß ihr Erfolg oder Mißerfolg von ihm allein abhängen sollte … und er hatte geglaubt, mehr Zeit zum Lernen zu haben! Er dachte an die Qualen der ersten Rapporte und hatte entsetzliche Angst. In seinem Zimmer angekommen, warf er sich in stummer Verzweiflung auf sein Bett. Es war ungerecht, so viel von ihm zu verlangen, und so bald! Es war zuviel, das Schicksal ganz Darkovers, des Darkovers, das er kannte und liebte, auf seine unerprobten Fähigkeiten zu setzen!
    Der geisterhafte Duft im Raum machte sich besonders stark bemerkbar. Mit einem Mal brachte er ihm eine verlorene Erinnerung zurück.
    Cleindori. Meine Mutter, die ihre den Comyn geschworenen Eide brach – für einen Erdenmann … muß ich für ihren Verrat bezahlen?
    Wie ein Hauch schwebte am Rand seines Bewußtseins eine Erinnerung, eine Stimme, die sagte: Es war kein Verrat … Die Tür stand einen Spalt offen, aber er konnte sie nicht ganz aufstoßen …
    Blendender Schmerz durchfuhr seinen Kopf. Es war vorbei. Er stand in seinem Zimmer und schrie verzweifelt: »Es ist zuviel! Es ist ungerecht, daß alles von mir abhängen soll …« Und er hörte die Worte in seinem Geist widerhallen, als würfen die Wände das Echo zurück, als stände dort jemand, der diese Worte in der gleichen Verzweiflung ausgerufen hatte.
    Ein leichter Schritt in seinem Zimmer, eine Stimme, die seinen Namen flüsterte, und Taniquel war an seiner Seite. Das Netz des Rapports webte sich zwischen ihnen. Das Gesicht des Mädchens, jetzt ernst und ganz ohne die gewohnte Schelmerei, verzog sich unter seinem Schmerz.
    »Aber so ist es doch nicht, Jeff«, flüsterte sie endlich. »Wir vertrauen dir, wir alle vertrauen dir. Wenn wir versagen, liegt es nicht an dir allein. Weißt du das nicht?« Ihre Stimme brach. Sie schmiegte sich an ihn und umfaßte ihn mit ihren Armen. Kerwin, von einem neuen, heftigen Gefühl erschüttert, preßte das Mädchen an sich. Ihre Lippen trafen sich, und Kerwin erkannte, daß er sich das gewünscht hatte, seit er sie zum ersten Mal sah, durch den Regen und Schneeklatsch einer darkovanischen Nacht, durch den Rauch eines terranischen Zimmers. Die Frau seines eigenen Volkes, die erste, die ihn als einen der Ihren anerkannt hatte.
    »Jeff, wir lieben dich. Wenn wir versagen, ist es nicht deine Schuld, es ist unsere. Nicht dich trifft dann der Vorwurf. Aber du wirst nicht versagen, Jeff. Ich weiß, du wirst nicht versagen …«
    Ihre Arme schützten ihn, ihre und seine Gedanken verschmolzen, und die aufsteigende Flut der Liebe und des Begehrens in ihm war etwas, das er nie erfahren, sich nie hatte träumen lassen.
    Das war keine leichte Eroberung, kein billiges Mädchen aus den Raumfahrerbars, das seinen Körper für den Augenblick befriedigen, aber sein Herz nicht erreichen konnte. Er brauchte sich nicht vor dem Nachgeschmack der Wollust zu fürchten und der Übelkeit, die ihn so oft befallen hatte, wenn er spürte, daß die Leere der Frau ebenso tief war wie seine eigene Enttäuschung.
    Taniquel. Taniquel, die ihm seit dem ersten Augenblick des Rapports zwischen ihnen, seit ihrem ersten Kuß näher gestanden hatte als jede frühere Geliebte. Warum hatte er das nie erkannt? Er schloß die Augen, um diese Nähe, die sie enger verband als die Berührung von Lippen und Armen, besser zu erfassen.
    Taniquel hauchte: »Ich habe … deine Einsamkeit und deine Not gespürt, Jeff. Aber bis jetzt fürchtete ich mich, sie zu teilen. Jeff, Jeff ich habe deine Schmerzen auf mich genommen, laß mich dies auch mit dir teilen.«
    »Aber«, stieß Kerwin heiser hervor, »jetzt fürchte ich mich nicht mehr. Ich hatte mich nur gefürchtet, weil ich mich allein fühlte.«
    »Und jetzt«, sprach sie seine Gedanken aus und sank mit einer so vollständigen Hingabe, wie er sie nie zuvor bei einer Frau erlebt hatte, in seine Arme, »jetzt wirst du nie mehr allein sein.«

Kapitel 10: Die Methode Arilinns
     
    Wenn Kerwin sich die planetare Untersuchung als etwas vorgestellt hatte, das durch Magie, durch Konzentration auf die Matrizes erfolgte, als einen schnellen, geistigen Prozeß, dann wurde er bald eines Besseren belehrt. Die eigentliche

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