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Die Blutmafia

Die Blutmafia

Titel: Die Blutmafia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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erobern.
    Auch das war längst vorbei.
    »Lassen Sie mal, Iris. Wieso auch? Weiß der Teufel, wo er sich rumtreibt.«
    Iris nickte nur. Manchmal ging Hanne so viel fettgepolsterte Gemütsruhe auf den Nerv. Aber heute war sie dankbar.
    »Übrigens, da war wieder derselbe Herr am Apparat.«
    »Was für ein Herr?«
    »Sie wissen doch, der, der vorhin schon einmal angerufen hat. Soltau oder so ähnlich. Ich sagte, Sie seien draußen im Garten, und er meinte, er würde gleich wieder anrufen.«
    Da läutete es schon.
    »Ich könnte das verdammte Ding an die Wand schmeißen!« schrie Hanne. »Und den Soltau mit dazu!«
    Sie ging an den Apparat und hob ab.
    »Soltau. – Frau Reissner!«
    »Ja. Er ist noch nicht da.«
    »Das habe ich mir schon gedacht, gnädige Frau. Aber falls er kommt … wir hätten da noch ein Problem. Das heißt, Herr Linder hätte gerne etwas gewußt.«
    »So? Und was?«
    »Ja nun, es ist so … Ihr Mann schien sich schon auf dem Flug nach Stollberg nicht besonders wohl zu fühlen. Und auch dort ging es ihm gesundheitlich nicht besonders gut. Deshalb würde es Herrn Linder sehr interessieren, zu erfahren, ob Ihr Mann in letzter Zeit vielleicht in ärztlicher Behandlung gewesen ist.«
    »Nicht, daß ich wüßte, Herr Soltau. Und wie sollte ich es auch wissen? Mir hat er jedenfalls nichts gesagt. Außerdem – wann bekomme ich ihn schon zu Gesicht in der letzten Zeit?«
    »Natürlich, natürlich«, murmelte Soltau.
    Mit der Schulter schob er die Tür auf.
    Es war eine alte, schwere, massive Holztür, die von einem vernarbten Lederpolster daran gehindert wurde, ganz ins Schloß zu fallen. Es war eine Tür, wie man sie nur noch in dieser Gegend finden konnte, am Rosenheimer Platz, wo es noch immer Altbauwohnungen zu einigermaßen erträglichen Preisen zu mieten gab. Sein Freund Jan, Dr. Jan Herzog, brauchte beides: Viel Platz für die Praxis – und den möglichst billig.
    »Ich will Menschen um mich sehen, Dieter. Ich hab' nun mal was gegen deine neurotischen Schickimickis … Wenn's dir mal wirklich dreckig geht, kannst du ja trotzdem zu mir kommen. Bloß … wenn sie dir dein Bankkonto auf den Hintern tätowieren oder den goldenen Firmenstempel, dann such dir gefälligst einen Professor, der das wieder weg macht.«
    Es ging ihm wirklich dreckig. Und er hatte aufgehört, den Professoren zu glauben. Er pfiff auf sie.
    Die Treppe war breit, dunkel und roch nach Bohnerwachs. Er ging ganz langsam hoch. Er kam sich vor wie ein alter Mann und hatte dabei das Gefühl, er sollte noch langsamer gehen.
    Da war das Messingschild: A LLE K ASSEN .
    Na sicher! Was sonst?
    Er drückte die Klingel.
    Es war Jan, der ihm aufmachte, und er tat es so unmittelbar und rasch, als habe er hinter der Tür gelauert.
    »Na, Alter?«
    Jan Herzog war groß und lang, und er hatte so ein bestimmtes Begrüßungsgrinsen. Reissner erwartete es heute vergeblich.
    »Komm, gehen wir in mein Zimmer.«
    Der Arzt ging voran. Wie viele große und hagere Leute, ging er mit eingekrümmten Schultern. Unter den breiten Sohlen seiner Schuhe knarrte das Parkett.
    Normalerweise herrschte in den großen, weißgestrichenen Räumen ständig Betrieb. Nun war es still, still wie auf dem Friedhof. Merkwürdig: Kein Husten aus dem Wartezimmer, kein Kinderplärren, nichts. Nur diese knarrenden Sohlen …
    Reissners Unbehagen verstärkte sich.
    Am liebsten wäre er jetzt einfach umgedreht und zur Tür gerannt. Raus. Fort. Aber er nahm sich zusammen. Er hatte es sich vorgenommen: Ruhig bleiben, ganz cool. Vor allem einen klaren Kopf – was immer passiert.
    Jan verstaute ihn in seinem Besuchersessel, lehnte sich zurück, und nun lächelte er. Aber dies war nicht sein Lächeln. Oder wenigstens nicht das, welches Dieter Reissner vertraut war. Denn er kannte dieses Gesicht wie kaum ein zweites: Dunkle, buschige Brauen und dunkle, tiefliegende Augen, dazu ein breiter Mund, der manchmal ziemlich empfindsam wirken konnte.
    Ja, er kannte es seit zwanzig Jahren, seit ihrer gemeinsamen Studienzeit in Heidelberg. Beide hatten sie gejobbt, Jan, der angehende Mediziner, auf dem Bau, er, der Betriebswirt, war ein bißchen cleverer: Er spielte Getränkeausfahrer … Und an jedem freien, schönen Tag, den Gott schenkte, waren sie dann in die Berge gezogen. Jan hatte ihm das Klettern beigebracht, obwohl er kaum etwas mehr haßte als Steilwände, Kamine und sonstigen Unsinn. Er hatte sich trotzdem hochgequält; es blieb ihm ja nichts anderes übrig. Jan war damals der einzige

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