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Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Blutnacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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Affen.«
    »Ich ziehe dich näher ran und packe dein Handgelenk. Halte dich einfach fest. Ich mache alles andere.«
    »Meine Brüder sind auch da drüben, nicht? Ich habe sie gesehen, mit den Schweinen und den Hunden.«
    »Festhalten. Jetzt ganz ruhig.«
    Tannhäuser begann, die Schwertscheide, eine Hand über der anderen, heranzuziehen. Er wagte nicht, sich zu beeilen, weil er fürchtete, dem Jungen das Leder dann aus der Hand zu reißen.
    Juste sagte: »Ich möchte nach Hause gehen.«
    »Wir bekommen dich schon nach Hause, Junge, keine Angst.«
    »Ich habe keine Angst. Ich bin müde.«
    Juste zog die Knie hoch gegen den Schiffsrumpf. Er lächelte seltsam.
    »Ich habe Flore gesehen«, sagte er. »Sie wartet auf mich.«
    Tannhäuser reckte sich voll ausgestreckt zu ihm hin.
    Juste ließ die Schwertscheide los und stieß sich mit den Füßen vom Schiffsrumpf ab.
    Tannhäuser verfehlte seine Hand, weil Juste sie wegzog.
    »Sagt Grégoire, dass ich ihn vermissen werde.«
    Pascale stieß einen Schrei von abgrundtiefem Schmerz aus.
    Tannhäuser biss die Zähne zusammen.
    Juste trieb auf dem Rücken den Fluss hinunter, schaute immer noch zu ihnen hin.
    Pascale ließ die Partisane fallen, setzte sich auf die Bordwand und schwang die Beine über die Seite. Tannhäuser schlang ihr einen Arm um die Taille und zog sie an seine Brust.
    Sie schluchzte. Durch die Tränen hindurch schrie sie ihn an.
    »Wenn du nicht hinter ihm her willst, dann lass mich.«
    Tannhäuser hatte schwimmen gelernt, seit er in Malta einmal beinahe ertrunken war, aber er war nicht gut genug, um Juste zu retten. Dieses Risiko hatte er nicht einschätzen gelernt. Er würde auch Pascales Leben nicht aufs Spiel setzen, ganz gleich, wie gut sie schwimmen konnte.
    »Justes Zeit ist gekommen, Pascale«, sagte er. »Er ist so weit. Lass ihn nach Hause gehen.«
    Juste schwamm immer noch auf dem Wasser, in dreißig Fuß Entfernung, und er bewegte sich mit der Strömung fort.
    »Warum hat er mir mein Schwert gebracht?«, fragte Tannhäuser.
    Pascale antwortete: »Er sagte, er hätte dich danach rufen hören.«
    »Das habe ich nicht gemacht.«
    Pascale drehte den Kopf und schaute ihn an.
    »Du hast gesagt, meine Klinge könnte brechen wie ein Schwert.«
    Tannhäuser nickte. Da hatte er jetzt also alle vier Brüder getötet.
    Er sollte Justes Tapferkeit Respekt zollen.
    Er reckte sein Schwert zum Salut hoch in die Luft.
    Juste hob zur Antwort seinen Arm.
    »Juste!«, rief Pascale.
    Juste versank in den schwarzen Wassern der Seine und war verschwunden.
    Tannhäuser legte das Schwert weg und nahm Pascale in beide Arme.
    »Er hat uns geliebt«, sagte sie. »Er hat dich geliebt.«
    In ihren Augen spiegelte sich unendliche Trauer.
    Tannhäuser ließ sich von ihrem Schmerz durchdringen. Pascale blinzelte.
    Er lehnte sein Gesicht ganz nah an ihres.
    »Du und ich sind über die Brücke, aber noch nicht über die Sperre. Sei stark.«
    Pascale wandte sich ab und schaute über das Wasser.
    Tannhäuser trug sie zum Bug, lehnte sich über die Kette und setzte sie sicher auf dem Heck des dritten Leichters ab. Er hörte ein Stöhnen. Grymonde hatte ein Bein über die Bordwand geworfen, und mit beinahe übermenschlicher Anstrengung zog er sich hoch und fiel aufs Deck. Er landete mit einem schmerzerfüllten Brüllen und in einer Wolke von Pechrauch.
    Tannhäuser war froh, ihn zu sehen. Im Fischerboot konnten sie einen sterbenden Riesen schlecht gebrauchen, und Grymonde war zum gleichen Schluss gekommen. Tannhäuser hob die Partisane auf und reichte sie Pascale. Er steckte das Schwert in die Scheide und befestigte diese wieder an seinem Gürtel. Er hob die Hellebarde auf und schaute prüfend zum Landungssteg. Auf dem Damm lagen nur Leichen. Die Pilger brüllten ihre Wut aus sicherer Entfernung heraus. Garnier stand da, von der Last des Befehlshabers wie gelähmt.
    Tannhäuser unterdrückte den Impuls, diesen Windbeutel einfach zu erschießen. Diese Provokation könnte den anderen vielleicht zu weit gehen. Er schuldete es Carla, so bald wie möglich von hier zu verschwinden. Er kletterte auf den dritten Leichter zurück. Es war keine zehn Minuten her, dass er ihn verlassen hatte. Es erschien ihm viel länger. Ein ganzes Leben länger, das nun nicht mehr gelebt würde. Er verbannte Juste aus seinen Gedanken.
    Er rollte Grymonde inmitten von verkohltem Fleisch und versengter Leinwand auf den Bauch und zerrte ihn auf die Knie und von dort auf die Beine. Der Infant blutete nicht so stark,

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