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Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Blutnacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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Tannhäuser ließ die Papiere fallen und legte seinen Zeigefinger auf die Brust des alten Mannes. Er drückte den Portier von seinem Hocker herunter nach hinten. Die Arme und Beine des alten Mannes schnellten nach außen, als er auf den Boden krachte. Das Stöhnen war der erste aufrichtige Laut, der ihm über die Lippen kam. Tannhäuser ignorierte es. Er wühlte unter der Theke herum und suchte nach Papier und Tinte. Aus einem Bündel alter Schreibfedern zog er eine, die noch halbwegs brauchbar schien. Er kritzelte in seiner groben Handschrift, auf Italienisch.
    Liebster Orlandu, ich bin in Paris. Ich habe noch keine Unterkunft. Hinterlasse eine Nachricht für mich hier im Collège. Sage mir, wo ich Dich und Deine Mutter finden kann.
    Er hielt inne. Er glaubte nicht, dass Orlandu diese Nachricht in nächster Zukunft erhalten würde oder dass selbst dann der Portier die Antwort nicht verfälschen würde. An der gegenüberliegenden Straßenecke hatte Tannhäuser eine Taverne gesehen.
    Er fügte hinzu: Hinterlasse eine Kopie Deines Schreibens im Roten Ochsen. Ich muss Carla sofort finden.
    Er zermarterte sich den Kopf nach dem Datum des Tages. Morgen war das Fest des heiligen Apostels Bartholomäus. Er unterschrieb und datierte die Nachricht: Samstagnachmittag, 23. August 1572 . Er wedelte die Tinte trocken und schaute zu Grégoire, der die Vorgänge mit großen Augen beobachtet hatte.
    »Die Tavernen der Studenten«, sagte Tannhäuser. »Wir werden dort suchen.«
    Tannhäuser faltete das Papier zweimal und schrieb »LUDOVICI« und »MATTIAS« auf die Rückseite. Die Buchstaben, mit denen die Postfächer markiert waren, waren auf Schilder gemalt, die man über die Fächer genagelt hatte. Tannhäuser hebelte das Schild »L« mit seinem Dolch weg und befestigte mit diesem die Nachricht an einer Stelle an dem Kasten, wo man die Anschrift von jenseits der Theke lesen konnte. Dann trat er dem Portier in die Rippen.
    »Steht auf !«
    Trotz seiner offensichtlichen Gebrechlichkeit rappelte sich der Portier mit einer Flinkheit wieder auf die Beine, um die ihn manch jüngerer Mann beneidet hätte. Tatsächlich wirkte er, seiner Perücke beraubt und mit wutverzerrtem Gesicht, eher wie fünfzig als siebzig. Seine Kopfhaut war eine Masse verschorfter, abblätternder Verletzungen. Tannhäuser trat einen Schritt zurück, falls Gefahr bestand, sich daran anzustecken. Er nahm sein Gewehr wieder auf und deutete mit dem Kopf auf die Postfächer.
    »Sorgt dafür, dass meine Nachricht Master Ludovici erreicht.«
    Draußen auf der Straße war die Sonne noch heißer. Tannhäuser fuhr sich durch den Bart. Schweißperlen rannen ihm über die Stirn. Er sehnte sich nach einem Bad, wenn es so etwas in Paris überhaupt gab. Grégoire deutete auf eine lange Reihe lauter, überfüllter Schweineställe.
    »Die Tavernen der Studenten«, sagte er.
    In den ersten drei Kneipen hallte es wider von trunkenen Stimmen und Streitgesprächen, aber die Suche verlief erfolglos. Jedes Mal bat Tannhäuser den Wirt, Orlandus Namen über das Stimmengewirr zu schreien, doch niemand antwortete. Als diese Taktik auch in der vierten Kneipe, dem Roten Ochsen, nicht fruchtete, setzte sich Tannhäuser an einen Tisch bei der Tür. Er bestellte Wein, eine kalte Gänsepastete und zwei gebratene Hühnchen. In den Gesprächen der Gäste ringsum schwang ein furchtsamer Unterton mit. Anscheinend hatte es irgendeine wichtige Nachricht gegeben. Tannhäuser versuchte, das Wesentliche mitzubekommen, aber er war müde, und sein Ohr hatte sich noch nicht an den örtlichen Akzent gewöhnt.
    Er hörte, dass die Königin, Catherine de Medici, erwähnt wurde, ebenso ihr Sohn, König Charles, und dessen Bruder Henri, der Duc d’Anjou, dazu noch der Duc de Guise, der größte Unterstützer der Katholiken in Paris. Öfter als Tannhäuser lieb war, wurde der Name von Gaspard Coligny, dem hugenottischen Demagogen und Großadmiral von Frankreich, genannt. Der Mann hatte 1567 Paris ausgehungert. Seine deutschen Söldnertruppen hatten einen großen Teil des Landes verwüstet. Nun ging das Gerücht, dass ihm derSinn nach einem Konflikt mit Spanien in den Niederlanden stand. Dieselbe Riege von Tölpeln und Schurken hatte Frankreich bereits dreimal in sinnlose Bürgerkriege gestürzt.
    Tannhäuser hatte jegliche Beteiligung, ja sogar jegliches Interesse an politischen Geschäften aufgegeben, denn er konnte ohnehin nichts ausrichten, um ihren Lauf zu ändern. Die Großen und Mächtigen waren nach wie

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