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Die Borgia: Geschichte einer unheimlichen Familie (German Edition)

Die Borgia: Geschichte einer unheimlichen Familie (German Edition)

Titel: Die Borgia: Geschichte einer unheimlichen Familie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Reinhardt
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Vater und Sohn im Vatikan konkret planten und strategisch umsetzen wollten, steht im Großen fest: Ziel war ein erbliches Familienfürstentum im Norden des Kirchenstaats, von wo aus sich dauerhafter Einfluss auf die Besetzung des Heiligen Stuhls ausüben und damit eine dauerhafte Oberhoheit über das Papsttum durchsetzen ließ.
    Andere Fragen können nur mit mehr oder weniger großer Wahrscheinlichkeit beantwortet werden: Wie haben die Borgia Mord und Vertreibung ihrer Gegner vor ihrem Gewissen und damit vor Gott gerechtfertigt? Denn dass sie fromm waren, an Christus und die Fürsprache der Heiligen glaubten, ist ebenfalls gesichert. Kann man als gläubiger Christ solche Verbrechen begehen und zugleich auf das Paradies hoffen? Die Borgia konnten es offenbar.
    Wo die Fakten enden und die Legenden einsetzen, ist gleichwohl nicht immer mit letzter Gewissheit zu bestimmen. Weil sie den Borgia so gut wie alles, auch das Ungeheuerliche, zutrauten, haben nicht wenige zeitgenössische Chronisten vieles dazu erfunden. Wenn diese Familie die eine Grenze überschritten hatte, war zu vermuten, dass sie auch ein anderes Tabu gebrochen hat. Auch in dieser Grauzone zwischen Fakten und Legenden kann die Quellenkritik vieles erhellen. Wenn zum Beispiel ein Prälat über Orgien im Vatikan schreibt, von denen er nach eigenem Eingeständnis zu seinem Bedauern ausgeschlossen war, so liegt der Verdacht nahe, dass seine lüsterne Phantasie mit ihm durchgeht und zudem ein gleichgestimmtes Publikum mit den neuesten Sensationsnachrichten aus dem römischen Sündenpfuhl versorgt werden sollte. Oft lassen sich solche Vermutungen dann durch weitere Unstimmigkeiten der Berichterstattung erhärten.
    Skepsis ist auch dann angebracht, wenn solche Nachrichten von den zahlreichen Feinden der Borgia stammen. Da sie alle Macht, allen Reichtum und allen Genuss für sich wollten, blieb für ihre wechselnden Alliierten von der gemeinsam gewonnenen Beute so gut wie nichts übrig; und wenn doch, dann mussten diese Kurzzeit-Verbündeten stets damit rechnen, die nächsten Opfer zu sein. Die Folge war, dass kein Zeitgenosse mit der leidenschaftslosen Objektivität, wie sie dem Historiker zukommt, über die Borgia schrieb. Jeder Text über sie ist von starken, fast immer hasserfüllten Emotionen erfüllt.
    Kaum weniger problematisch ist die Quellen-Hinterlassenschaft der Borgia selbst. Liest man ausschließlich die vielen tausend Seiten diplomatischer Korrespondenz, die Alexander VI. als Haupt der Kirche geführt hat, so wäre man geneigt, daraus auf einen ganz normalen Pontifikat zu schließen. Denn auch unter diesem Ausnahmepapst liefen die Geschäfte der Kurie, der obersten päpstlichen Verwaltung, weiter. So wurden kirchliche Streitfälle kompetent geschlichtet, die Interessen der Bischöfe gegenüber der weltlichen Macht gewahrt, Güter verwaltet und Gnaden erteilt – kirchliches business as usual , geleitet und gelenkt von einem scharfsinnigen Juristen und gewieften Politiker, der die Interessen der Kirche geschickt zu wahren wusste. So kann, wer seine Blickrichtung bewusst auf diese Aktivitäten beschränkt, den Papst, seine Herrschaft und seine Familie «freisprechen». Alexander VI. erscheint dann als frommer, um Witwen und Waisen besorgter Muster-Pontifex, dem böswillige Feinde die abscheulichsten Missbräuche und Unsittlichkeiten andichten. Dass Alexander VI. unbestreitbar auch Gutes im Sinne der Kirche getan hat, heißt jedoch nicht, dass er «unschuldig» ist – dieser Denkfehler wird in Sachen der Borgia allzu oft begangen, so wie umgekehrt irrt, wer alle Anschuldigungen für bare Münze nimmt.
    Doch Alexander VI., der umsichtige Herr des Klerus, ist nur die eine Seite der Medaille. Wer ihn «reinwaschen» will, muss die Echtheit weiterer Dokumente leugnen, die nach dem Urteil der seriösen Geschichtswissenschaft unzweifelhaft authentisch sind; damit wäre die Grenze zur Geschichtsklitterung definitiv überschritten. Diese Dokumente stammen von Notaren, die bezeugen, dass Kardinal Rodrigo Borgia, der spätere Papst Alexander VI., seine Lieblingskinder als seine leiblichen Nachkommen anerkannte. Darüber hinaus lässt sich anhand von unbestreitbar echten Verleihungen von Titeln, Herrschaftsrechten und Vollmachten an Familienmitglieder minutiös nachvollziehen, mit welcher Intensität die Borgia den Aufbau ihres Imperiums betrieben. Ebenfalls über jeden Zweifel erhabene Prozessakten belegen, wie Alexander VI. und sein Sohn Cesare zumindest

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