Feuer der Lust - Page, S: Feuer der Lust
1. KAPITEL
Vor Beginn der Londoner Saison, März 1818
„Du hast die Wahl, Liebste. Ich will dich – das weißt du. Triff mich heute Abend auf der Galerie. Trage kein Kleid, sondern etwas, das man leicht ausziehen kann …“
Grace Hamilton wusste, dass der Vorschlag Lord Wesleys sie hätte schockieren sollen. Und natürlich hätte sie ihn auf der Stelle ablehnen müssen. Aber sie bemühte sich schon eine ganze Woche lang, stark, gut und anständig zu sein, sie konnte einfach nicht länger widerstehen.
„Ich weiß nicht, Mylord“, flüsterte sie. Er stand hinter ihr, abseits der heißen, funkelnden Kronleuchter und der herumwirbelnden Tänzer, in einer dunklen Ecke des Ballsaals von Callingsworth, dem Stammsitz des Marquess of Rydermere. Es handelte sich um das Schloss von Lord Wesley, einen Ort, an dem sie sich nicht hätte aufhalten dürfen.
Grace drückte sich in der Nähe der dunklen Türen zur Galerie herum. Sie trug ein geliehenes Kleid und zitterte bei dem Gedanken, dass jeder die Betrügerin in ihr erkennen musste, die sie war.
Seine Lordschaft legte ihr sachte beide Hände um die Taille, sodass sie sich in der Mitte trafen. Eigentlich hatte sie jetzt noch keine Berührung von ihm erwartet, und der unvermittelte Körperkontakt ließ ihren Atem stocken. „Ich werde auf dich warten“, murmelte er mit besitzergreifendem Unterton. „Wenn du um Mitternacht nicht da bist, werde ich gezwungen sein, die Schmerzen meines gebrochenen Herzens woanders zu lindern.“
Wie viele der anwesenden Damen hätten seinem Vorschlag sofort zugestimmt? Er musste nur mit den Fingern schnippen, und unzählige Frauen würden ihn um einen Kuss anbetteln und freudig seiner Einladung zur Sünde folgen. Dutzende von Frauen in diesem Ballsaal wollten ihn heiraten; ihre berechnenden Blicke galten dem Preis, den es zu gewinnen gab – den Titel der Marchioness of Rydermere.
Dieses Haus wimmelte von entzückenden Damen bester Herkunft, aber Lord Wesley hatte sie ausgewählt, hatte sie seit dem Moment ihrer Ankunft verfolgt. Vom ersten Augenblick an war sie verzaubert gewesen, als er sich über ihre Hand gebeugt und auf dem dünnen Stoff ihres Musselinhandschuhs mit seinen Lippen einen magischen Tanz auf ihren Fingern vollführt hatte. Und jeder seiner Blicke in ihre Richtung zeigte ihr durch sein Feuer und seine Intensität, dass er den Zauber zwischen ihnen ganz genauso empfand wie sie.
Oder täuschte sie sich? Was wusste sie schließlich über verliebte Männer?
„Mitternacht. Um Mitternacht“, neckte sie ihn und täuschte ein Selbstbewusstsein vor, das sie nicht besaß, „dann werden Sie wissen, ob ich komme oder nicht.“
Sein Atem kitzelte sie am Hals, eine heiße Liebkosung. „Raffiniertes Frauenzimmer. Ich werde da sein.“ Er trat noch näher an sie heran, verließ den Schatten in der Nähe der Wand, um seinen Körper an ihren zu pressen. Sie erstarrten beide und schmolzen dahin, während sich ein harter Stab gegen ihr seidenbedecktes Hinterteil drängte.
„Ich kann es kaum erwarten, diesen üppigen, eleganten Hintern zu packen …“ Leise stöhnend rieb er seine Erektion an ihren Rundungen und brachte ihr Herz zum Rasen. „Das, meine goldene Nymphe, ist alles ganz allein für dich.“
Und dann war er plötzlich fort.
Grace klappte ihren Fächer auf und bewegte ihn so heftig durch die Luft, dass die dünne Seide von den Stäben riss. Noch nie zuvor hatte ein Mann so etwas mit ihr getan. War so verwegen gewesen. So grob, direkt und lüstern …
„Was hat der Schurke, der sich mein Bruder nennt, zu dir gesagt? Oh, Grace, du wirst doch nicht in Ohnmacht fallen, oder? Dein Gesicht ist knallrot.“
Als Lady Prudence in ihrer abgeschiedenen Ecke neben ihr auftauchte, zuckte Grace schuldbewusst zusammen. Der Rand des geschlossenen Fächers ruhte auf der Unterlippe ihrer Freundin und verbarg die üppig geschwungene Linie ihres Mundes. „Hast du dich von ihm überreden lassen, hierherzukommen?“
„Nein … ich brauchte ein wenig Ruhe“, schwindelte Grace.
Sie war noch nie eine gute Lügnerin gewesen und bezweifelte, dass Lady Prudence ihr glaubte. Ihre Freundin senkte den Kopf, sodass die winzigen Diamanten und Saphire, welche in ihrem dunklen Haar steckten, im Kerzenlicht funkelten. Lady Prudence sah einfach hinreißend aus, und es erstaunte Grace immer wieder von Neuem, so eine wunderbare Freundin zu haben.
„Du darfst ihm kein einziges Wort glauben.“ Lady Prudence schaute sie mit ihren graublauen Augen
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