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Die Borgia: Geschichte einer unheimlichen Familie (German Edition)

Die Borgia: Geschichte einer unheimlichen Familie (German Edition)

Titel: Die Borgia: Geschichte einer unheimlichen Familie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Reinhardt
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an die Kirche, das heißt: Er unterstellte es direkt seiner eigenen Herrschaft. Doch die Nutznießer dieser Revolution von oben sollten die Nepoten werden. Seinem Neffen Pedro Luis wurde das Kommando über die päpstlichen Truppen übertragen, die den jetzt ausbrechenden Krieg gegen Ferrante führen sollten, offiziell im Namen der Kirche, doch mit dem unausgesprochenen Ziel, das Königreich für die Familie Borgia zu erobern. Für die Zeitgenossen war das Hybris, eine geradezu ungeheuerliche Selbstüberschätzung, gepaart mit gottlosem Hochmut: Wer waren die Borgia, um nach einer so schwindelerregend hohen Würde zu streben? Fromme Christen blieben in dem Stand, in den sie hineingeboren worden waren; so und nicht anders wollte es Gott. Das war die Lehre der Theologen, und die wortmächtigen humanistischen Laien-Gelehrten sahen es ähnlich: Krasse Parvenüs wie die Borgia mussten zurückhaltend auftreten, um ihre Eignung für höhere Aufgaben unter Beweis zu stellen. Ihren Griff nach der Königskrone, die ein Friedrich II. von Hohenstaufen und ein Karl von Anjou getragen hatten, konnte keine Papstwahl vor Gott und der Welt rechtfertigen.
    Und doch müssen die Borgia, Onkel und Neffen, diesen Versuch, königliche Macht zu gewinnen, vor Gott und ihrem Gewissen gerechtfertigt haben. Wie sie das taten, ist nicht überliefert. Aus späteren Quellen lässt sich jedoch schließen, dass sie schon zu diesem Zeitpunkt an ihre kollektive Erwählung glaubten. Die Borgia fühlten sich von Gott zur Führung der Kirche und der Christenheit vorherbestimmt. Eine solche Überzeugung legitimierte jede Form von Gewalt gegen ihre Gegner. Zu diesen zählte jetzt auch das königliche Haus Aragón. Dieses habe – so eine sicher überlieferte Äußerung des greisen Calixtus – den Borgia seit jeher die ihnen zustehende Größe verweigert. Das war eine eigenwillige Sicht der jüngeren Familiengeschichte; schließlich war die Sippe nur durch die jahrzehntelange Patronage des Monarchen nach oben gekommen. Aber die Wahl zum Papst veränderte die Perspektiven; das von den Wählern mit Recht gefürchtete «Syndrom der plötzlichen Erhebung» zeigte extreme Wirkungen. Gott hatte die Borgia zu höchsten Geschicken vorherbestimmt, Vicente Ferrer, der Diener Gottes, hatte es geweissagt. Alle diejenigen, die sich dem Willen des Himmels entgegenstemmten, mussten mit schwersten Strafen rechnen.
    Ende Juli 1458 waren die päpstlichen Truppen zum Krieg gegen Neapel gerüstet. Doch im entscheidenden Moment brach die bis dahin eiserne Gesundheit des greisen Papstes plötzlich ein. Volle zwei Wochen lang rang der greise Pontifex maximus mit dem Tod. An seine Genesung glaubte niemand mehr, und damit stürzte die Herrschaft der Borgia lautlos in sich zusammen. An den Feldzug gegen den «ungehorsamen Lehnsmann» Ferrante war nicht mehr zu denken; Anweisungen der Borgia-Kardinäle wie des Borgia-Generals blieben unausgeführt; Geld war nicht auffindbar. Rom bereitete sich auf die Abrechnung mit den Nepoten vor, die immer dann angesagt war, wenn sich eine Familie nach Ansicht der Nicht-Begünstigten allzu schamlos bereichert und allzu rücksichtslos zu ihrem eigenen Vorteil regiert hatte.
    Als Calixtus III. am 6. August 1458 für immer die Augen geschlossen hatte und sich ein gewaltiger Sturm gegen die Borgia erhob, lieferte Pedro Luis widerstandslos die Engelsburg aus und floh Hals über Kopf in die päpstliche Hafenstadt Civitavecchia, wo er kurz darauf elendiglich am Fieber zugrundeging. Allein Rodrigo Borgia behielt in dieser Nepoten-Dämmerung einen kühlen Kopf. Er hielt am Totenbett des Papstes die Stellung; sein Palast wurde zwar von der aufgebrachten Menge der Zukurzgekommenen geplündert, doch ihm selbst krümmte niemand ein Haar. Zu seinem Glück hielten die anarchischen Zustände nur während der Sedisvakanz, der papstlosen Zwischenzeit, an. Als am 19. August mit Enea Silvio Piccolomini, dem «Kardinal von Siena», wie er in der Diplomatensprache der Zeit hieß, der neue Papst gewählt war, glätteten sich die Wogen rasch.
    Damit begann nach Vorgeschichte, Aufstieg und erster Machtausübung die vierte Phase der Familiengeschichte: der lange Weg zurück zur Herrschaft. Am Ende dauerte er vierunddreißig Jahre minus eine Woche. Doch so langwierig und mühsam er auch war, Kardinal Rodrigo Borgia, der Ex-Nepot, beschritt ihn von Anfang an mit äußerster Zielstrebigkeit und Konsequenz. Dabei kam ihm zugute, dass sein Amt als Vizekanzler auf

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