Die Braut aus den Highlands
zurück, umklammerte die hölzernen Armstützen und öffnete den Mund. Der Whisky zeigte noch keinerlei Wirkung, zu schnell hatte er ihn getrunken, aber das kümmerte ihn nicht. Er wollte nur, dass der Zahn verschwand und mit ihm auch endlich der Schmerz.
„Ich weiß immer noch nicht so recht, warum wir nicht gestern Abend schon nach d’Aumesbery reiten konnten, sondern stattdessen noch eine Nacht im Freien verbringen mussten“, murrte Brodie. „Dabei waren wir praktisch schon vor d’Aumesberys Toren. Stattdessen mussten wir uns heute in aller Herrgottsfrühe hochquälen, um die letzte Meile hinter uns zu bringen. Und warum?“
„Weil deine Schwester sich erst herrichten wollte, bevor sie ihrem zukünftigen Gatten entgegentritt“, entgegnete sein Vater. „Und nun hör auf, dich zu beschweren. Wir sind ja fast da.“
Brodies Geschimpfe und die Antwort ihres Vaters wurden Merewen, die mehrere Pferdelängen hinter ihnen ritt, vom Wind zugetragen. Sie bedachte die drei vor sich mit einem eisigen Blick, wenngleich sie keiner beachtete. In den Tagen seit ihrem Aufbruch von Stewart waren sie stets in gebührendem Abstand vor ihr hergeritten. Wohl in dem Versuch, ihrer Laune zu entgehen, wie Merry annahm. An dem Morgen, als sie Stewart verlassen hatten, war sie nämlich ganz und gar nicht erfreut über ihren Vater und ihre Brüder gewesen. Zwar hatten sie sich am Abend vor der Abreise auf Bier beschränkt und nicht versucht, sie zur Herausgabe des Schlüssels für die Vorratskammer zu bewegen, allerdings hatten sie bis weit nach Mitternacht „gefeiert“. Da Merry dies schon allzu oft erlebt hatte, empfand sie nicht das geringste Mitgefühl, als sie die Männer schon bei Tagesanbruch aus dem Bett scheuchte und ihnen so lange zusetzte, bis sie ihr Morgenmahl beendet und ihre Pferde bestiegen hatten und die Gruppe, die sich um den Wagen mit ihren Habseligkeiten scharte, endlich aus dem Burghof von Stewart Castle führten.
Seitdem mieden die Männer sie, ja hatten es nicht einmal gewagt, sich während des ersten Reisetags über die hämmernden Kopfschmerzen zu beschweren, von denen sie zweifellos geplagt wurden. Tags darauf hatten sie sich erholt und darauf gedrängt, schneller zu reiten, wobei sie die gesamte Truppe zu einer derart hohen Geschwindigkeit antrieben, dass Merry um den Karren mit ihren Sachen fürchtete. Immer wieder sah sie das Gefährt im Geiste zu Bruch gehen, so sehr wurde es durchgerüttelt, doch bislang war alles gut gegangen. Es hielt stand, und gestern am späten Abend hatten sie schließlich die Wälder um d’Aumesbery erreicht. Die Männer wollten gleich bis zur Burg reiten, doch Merry weigerte sich. Wahrscheinlich war die Zugbrücke zu dieser späten Stunde längst hochgezogen und das Tor verschlossen, und sie hätten die Nachtwache aufscheuchen müssen und damit für Wirbel gesorgt, um hineinzugelangen.
Zudem waren sie tagelang unterwegs gewesen, waren bei Sonnenaufgang aufgebrochen und bis tief in die Nacht geritten, um nur zum Schlafen kurz Rast zu machen, ehe es im Morgengrauen gleich wieder losging. Merry hatte sich nicht auf d’Aumesbery zeigen wollen, ohne zuvor zu baden und sich zumindest vom gröbsten Staub zu befreien und ein sauberes Kleid anzulegen.
Nun waren sie dabei, das letzte Stück der Reise hinter sich zu bringen. Sie schätzte, dass sie kurz nach dem morgendlichen Mahl ankommen würden. Bei diesem Gedanken kribbelte es in ihrem Bauch, und unwillkürlich biss sie sich auf die Unterlippe. Sie sah dem anstehenden Treffen erstaunlich verschüchtert entgegen – wenn auch voll freudiger Erregung. Merry hatte sich Strapazen und Langeweile der Reise in den vergangenen Tagen mit Gedanken an die Zukunft versüßt und sich diese in den rosigsten Farben ausgemalt. Die Heirat würde sie endlich von dem Versprechen entbinden, das sie ihrer Mutter gegeben hatte. Sie würde frei sein und konnte nun nach vorn schauen, und dies tat sie voller Hoffnung und Erleichterung. In ihren Tagträumen war Alexander d’Aumesbery ein guter, ehrenwerter Mann und anständiger Gemahl … und ähnelte nicht im Mindesten ihrem Vater und ihren Brüdern. Sie würde in England leben, an der Seite eines hoffentlich klugen und abstinenten Gatten – eines Gatten, auf den sie sich stützen konnte, statt ihm eine Stütze sein zu müssen. Merry war voller Zuversicht.
„Aber auf d’Aumesbery hätte Merry es doch sehr viel bequemer haben können“, wandte Gawain gereizt ein. „Dort hätten wir alle
Weitere Kostenlose Bücher