Die Braut aus den Highlands
zumindest ein warmes Bad und ein weiches Bett bekommen. Und außerdem kann Lord d’Aumesbery sie doch gar nicht zurückweisen, oder?“, fügte er hinzu und schwieg einen Augenblick. „Nicht wahr?“, bohrte er unsicher nach.
„Was?“ Diese Möglichkeit schien auch Eachann Stewart aufzuschrecken, und Merry hörte die Besorgnis in seiner Stimme, als er erwiderte: „ Nay , natürlich nicht. Was ist das überhaupt für eine Frage?“
„Nun ja, er hat sich nicht gerade überschlagen, um zu kommen und sie zu holen“, meinte Brodie zögerlich.
„ Nay “, wandte Eachann Stewart rasch ein. „Er war ja auch auf Kreuzzug, und dies auf Wunsch seines englischen Prinzen. Das war der Grund, er hatte keine Wahl in dieser Hinsicht.“
„Aber dieser Prinz ist schon längst englischer König und hat deswegen auf dem Festland wichtige Geschäfte zu erledigen. Für d’Aumesbery hingegen gab es eigentlich gar keinen Grund, noch so lange fortzubleiben“, beharrte Brodie.
„Genau“, fiel Gawain alarmiert ein. „Was, wenn er gehört hat, dass unsere Merry eine Harpyie und ein Drache ist, und versucht hat, sich der Ehe zu entziehen?“
„Nun, das kann er nicht“, entgegnete ihr Vater bestimmt. „Wenn es sein muss, verfolgen wir ihn bis ans Ende der Welt. Er wird das Mädchen heiraten und fertig. Und nun still – nicht dass Merry noch hört, dass du sie als Harpyie und Drachen bezeichnest. Sie würde uns nur wieder mit ihren Launen zusetzen.“
Merry spürte, dass die Männer sich nach ihr umsahen, und starrte weiterhin mit ausdrucksloser Miene in den Wald, den sie durchquerten. Sie war zu müde, um die drei anzufahren und sie in ihre Schranken zu weisen, wie sie es für gewöhnlich getan hätte. Außerdem war es nicht das erste Mal, dass sie mit anhörte, wie man sie als Harpyie und Stewart-Drachen bezeichnete. Die beiden Namen verletzten sie längst nicht mehr, doch sie brachten sie ins Grübeln. Hatte ihr Verlobter vielleicht tatsächlich gehört, dass sie eine Harpyie und ein Drache war und war fortgegangen, um sie nicht heiraten zu müssen?
Diese Vorstellung machte ihr zu schaffen und bekümmerte sie eine Weile. In keinem ihrer Tagträume über ihre Zukunft hatte er ihrer Ehe entfliehen wollen.
„Da vorne ist es.“
Merry hob den Kopf und brachte ihr Pferd hinter den Männern zum Stehen. Der Wald um sie her hatte sich gelichtet, und vor ihnen erhob sich eine Burg. D’Aumesbery war eine gewaltige, imposante Festung, die auf einer Anhöhe thronte und das Umland überragte. Sie war weit größer als Stewart Castle, doch das schreckte sie nicht. Sie fragte sich lediglich, wie es ihrem Vater wohl gelungen war, eine derart vorteilhafte Ehe zu arrangieren. Er hatte stets behauptet, dass diese Abmachung durch die Freundschaft zwischen ihm und dem verstorbenen Lord d’Aumesbery zu Stande gekommen sei. Angeblich hatten die beiden sich in jungen Jahren bei Hofe kennen gelernt und angefreundet, und die kameradschaftliche Verbindung hatte zehn Jahre lang gehalten. D’Aumesberys Sohn Alexander war fünf Jahre vor ihr zur Welt gekommen, und gleich nach ihrer Geburt hatten die Männer ihre Freundschaft durch den Ehevertrag zwischen ihr und Alexander besiegelt.
Merry mutmaßte, dass das freundschaftliche Band bald danach zerrissen war. Jedenfalls entsann sie sich nicht, dass die beiden Familien sich je gegenseitig besucht hätten. Sie argwöhnte, dass die Trunksucht ihres Vaters daran nicht ganz unschuldig war. Ihre Mutter hatte ihr einst erzählt, dass er zwar schon als junger Mann recht trinkfest gewesen sei, diese Eigenschaft jedoch erst mit dem Tod seines eigenen Vaters ausgeufert sei. Damals war Merry zwei Jahre alt gewesen. Es schien, als seien die Trauer und die neue Verantwortung als Laird zu viel für ihn gewesen, sodass er fortan den unbeschwerten Dämmerzustand der Trunkenheit der nüchternen Wirklichkeit des Lebens vorgezogen hatte.
„Da sind wir, Merry.“ Ihr Vater zog die Zügel an, wandte sich um und schenkte ihr ein strahlendes Lächeln, das sich, wie sie bemerkte, auf dem Gesicht ihrer Brüder widerspiegelte, als er hinzufügte: „Nun wirst du endlich deinen Bräutigam treffen, und bald schon bist du eine verheiratete Dame und hütest eine Schar Kinder.“
Aye , besser als drei erwachsene Trunkenbolde, dachte Merry bei sich, sprach es aber nicht aus. Wozu sich noch ärgern? Nicht mehr lange, und sie würde der lästigen Pflicht ledig sein. Dann hätte sie selbst einen Gemahl – einen, der
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