Die Braut des Piraten
beraubt.
Olivia rannte in die Mitte der Bucht, nach oben blickend, die Arme schwenkend, und führte als Ablenkung einen wilden Tanz auf.
Cato starrte ungläubig in die Tiefe. Die Meeresbrise presste ihr helles Gewand an ihren Körper, das offene Haar umwehte sie und verbarg ihr Gesicht, doch erkannte er seine Tochter.
»Feuer einstellen!«, brüllte er.
»Sollen wir die Bucht stürmen, Sir?« Der völlig konfuse Giles Crampton konnte nicht fassen, was er da unten sah. »Sollen wir Lady Olivia aus der Schusslinie schaffen?«
»Was zum Teufel treibt sie dort unten?«, raunte Rufus.
»Weiß der liebe Himmel!« Cato zögerte kurz. Die zwei Männer hatten das Boot, dessen Segel lose um den Mast gewickelt war, ins Flachwasser geschoben. Es würde nur Sekunden dauern, um das Segel aufzuziehen.
»Greift den Strand an!«, befahl er. »Aber kein Feuer, solange Olivia unten ist. Sie darf nicht gefährdet werden.«
Anthony und Mike drückten das Boot mit aller Kraft ins tiefe Wasser, verzweifelt bemüht, vom Strand wegzukommen, um das Kielschwert ausfahren und das Segel hissen zu können.
»Herrjeh«, stieß Mike hervor. »Was macht Miss Olivia hier?«
»Sie beweist, dass sie Entscheidungen selbst trifft«, knurrte Anthony voller Ingrimm. Ein kräftiger Stoß mit der Schulter, und das kleine Boot trieb endlich frei im Wasser. Wieder dröhnte Geschützfeuer, doch vergeudete er keine Zeit, um festzustellen, ob sein Schiff beschädigt war. Ein Schuss konnte die
Wind, Dancer
nicht versenken, doch brauchte sie ihren Kapitän am Steuer.
Nun hörte Olivia Fußgetrappel. Schritte auf dem eigentlichen Saumpfad, den sie gemieden hatten. Sie lief zum Ufer, wo Mike, bis zur Körpermitte im Wasser, das Boot in die tiefe Fahrrinne stieß und es in den Wind drehte, während Anthony, der bereits an Bord war, das Segel vom Mast löste.
Das Gepolter der Schritte hinter ihr war plötzlich so laut, dass es ihren Kopf ausfüllte. Man hörte Geschrei und das unheildrohende Klicken der Musketenabzüge. Sie fuhr herum. Instinktiv die Arme ausbreitend, stand sie einem menschlichen Schutzschild gleich da, während Anthony in Windeseile das Segel aufzog.
Plötzlich trat Stille ein. Olivia drehte sich zum Boot um. Die Gegenwart der Bewaffneten hinter sich spürte sie als kollektives Atemholen.
Anthony griff nach der Ruderpinne. Olivia stand in der Brandung und drehte sich langsam zum Ufer um, als wolle sie es den Leuten ihres Vaters verwehren, das Boot anzugreifen, ehe es unter Segel war. Sie wusste, dass sie den richtigen Moment abwarten musste, um ihren Schritt in der einzig möglichen und Erfolg bringenden Sekunde zu tun, nämlich dann, wenn das Boot frei und unter Segel, aber noch ehe es außer Reichweite war.
Anthony stand da und hielt die Ruderpinne, die er so drehte, dass das Segel den Wind fing. Er blickte zu den Männern am Strand zurück. Sie hatten die Musketen angelegt, doch versperrte ihnen Olivia den Weg.
Der Marquis von Granville stand ein Stück abseits von seiner Truppe, näher als die anderen an Olivia dran.
»Olivia?, sagte er leise und fragend.
Sie sah ihn an, während sie spürte, wie sich das Boot immer weiter hinausbewegte. Sie spürte es, als würde ihr die Haut Zentimeter um Zentimeter abgezogen.
Sie wusste, dass sie keine Zeit mehr hatte.
Sie streckte ihre Hände mit den Handflächen nach oben in einer Geste der Hilflosigkeit aus. »Verzeih mir«, bat sie inständig. »Für Erklärungen ist keine Zeit, aber es muss so sein.«
Dann drehte sie sich um und tauchte in die Wellen. Das Boot erreichte nun tieferes Gewässer. »Anthony!«, schrie sie, als das Wasser ihr bis zur Mitte reichte. »Anthony, verdammt … so warte doch. Du weißt, dass ich nicht schwimmen kann!«
Hinter ihr kamen nun Catos Männer, die durch die Brandung wateten. Sie war ihnen voraus, zögerte aber, als die Wellen ihr bis zum Hals stiegen und ihr Rock sich zwischen ihren Beinen verfing und sie in ihren Bewegungen behinderte.
Anthony drehte das Boot gegen den Wind, kam herangesegelt, griff übers Heck und hob sie mit einem Griff aus dem Wasser. Olivia landete auf den Knien im Boot. Anthony griff nach der Ruderpinne, wendete erneut und segelte scharf am Wind davon.
»Feuer einstellen!«, brüllte Cato wieder, als seine Männer in einem letzten verzweifelten Versuch, das Boot einzuholen, eiligst durchs Wasser pflügten.
Olivia fasste nach ihrer Kehle. »Werden sie uns kriegen?«
»Nein, wir sind jetzt über den Flachteil der Küste
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