Die Braut des Satyrs
nahm er seine Hand herunter und knöpfte seine Hose wieder zu. Sekundenlang blinzelte die Frau verletzt und durcheinander zu ihm auf. Als er einen Schritt zurücktrat, fielen ihre Röcke wieder herab, bedeckten ihre Schenkel, ihre Knie und zuletzt ihre Knöchel.
Auf ihrem rosig erhitzten Gesicht spiegelte sich tiefer Widerwillen, doch sie richtete sich auf und wandte sich von ihm ab. Während sie zu ihrer Zofe zurückkehrte, folgte sie ihm mit ihren Blicken. Ihre Erinnerung an diese Begegnung würde innerhalb weniger Stunden verblassen, das vage Sehnen nach Lyon jedoch hielte noch einige Zeit länger – gleich einer Blessur an ihrem Herzen.
Lyons Gedanken an sie verflüchtigten sich unterdessen sehr viel schneller, als er die ausgetretenen Steinstufen des Pont Neuf an der Nordseite jeweils zwei auf einmal hinuntereilte. Auf dem gepflasterten Weg unten lief er durch einen breiten Torbogen und an den
Clochards
vorbei: harmlosen Bettlern, die in den Nischen und Winkeln von Paris hausten.
Hinter ihm erstreckte sich die Île de la Cité. Vor ihm an der Westspitze lag der Parc Vert Galant, eine dreieckige Nehrung, entstanden in Jahrhunderten von Sedimentablagerungen. Sie erstreckte sich von unterhalb der Brücke ein Stück stromabwärts und erinnerte an einen Schiffsbug.
In dem Park angelangt, suchte Lyon das Ufer mit den Augen ab, konnte aber keine Bewegung erkennen. Wo waren sie?
Wieder erreichte ihn der Gesang, nun lauter und verlockender. Ungeduldig schritt er am Parkufer entlang.
Hier herrschten die natürlichen Gerüche von Lehm und Vegetation vor, die ihm eine willkommene Ruhepause von den weniger schönen, nach Stein und Qualm in der belebten Stadt bescherten. Städte konnten gelegentlich auf ihre eigene Weise unterhaltsam sein, aber warum jemand, der über die Mittel verfügte, freiwillig lieber in einem solchen Moloch statt in der großzügigen ländlichen Region außerhalb der Pariser Stadtgrenzen lebte, entzog sich Lyons Fassungsvermögen. Er war eben sehr naturverbunden.
Plötzlich drehte er sich um. Der Lockgesang hatte ihn ein weiteres Mal erreicht, aber vom Nordufer des Parks. Eine unerwartete Spannung ergriff ihn, die auf seiner Haut kribbelte und seinen Schwanz noch härter machte.
Er hatte außer dem Gesang nämlich noch etwas wahrgenommen: einen kostbaren Duft, der sich mit dem Ruf vermengte, sich zugleich von allen menschlichen Düften absetzte. Diese Note war etwas ganz Besonderes, unverkennbar die einer Fee – einer erregten Fee.
War es wirklich möglich, dass er exakt die Frau, die zu suchen er nach Paris gekommen war, so leicht fand? Er schritt nochmals das Nordufer ab, ungeduldiger denn je, endlich die Flussnymphen zu entdecken, denn inzwischen war er überzeugt, dass König Feydons dritte Tochter unter ihnen war.
Es war gleich, dass er sich bis zu diesem Moment über seine Pflicht geärgert und es ganz und gar nicht eilig gehabt hatte, die ihm Bestimmte kennenzulernen. Es war ebenfalls gleich, dass sie ihn in dieser Nacht in Paris aufspürte, was das ganze Unterfangen verdächtig unkompliziert machte. Und es war erst recht gleich, dass sie offenbar dem Meer, nicht dem Land entsprungen war.
Einzig ein Gedanke trieb ihn an: dass sie in wenigen Minuten hier in diesem Park sein würde. Alle Vernunft konnte warten, bis sein Schwanz endlich in ihr war.
Er suchte das Ufer ab. Verdammt, wo war sie?!
Etwas seitlich von einem grasbewachsenen Stück unter einem breiten Baum kräuselte sich die Wasseroberfläche. Im nächsten Moment erhob sich eine längliche Gestalt aus der Tiefe, der Wasser aus dem dunklen Haar über die Schultern und die vollen spitzen Brüste rann. Ummalt vom Blutorange des Sonnenuntergangs, das sich auf der Seine spiegelte, erreichte eine Nymphe das Parkufer. Dort stemmte sie sich mit den Armen auf und zog sich nach oben, wo sie sich mit ihrem glitzernden Rücken zu Lyon gewandt hinsetzte.
Rasch hatte er sie erreicht. Eigentlich war er nicht erpicht darauf gewesen, sie zu finden, doch nun … Dicht hinter ihr blieb er stehen, seine warmen Beine seitlich an ihrem flusskühlen Rücken. Zwei dunkel schillernde Rückenflossen traten aus ihren Schulterblättern hervor und flatterten zart an seinen Schenkeln wie Feenflügel.
Ihr Körper war schmal und kurvig zugleich, wunderschön und geheimnisvoll. Das dunkle Haar haftete an ihr wie ein nasser Schal, der einmal um ihren Hals geschlungen war und ihr von dort bis in den Schoß hinunterreichte. Die Spitze ihrer Schwanzflosse
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