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Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman

Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman

Titel: Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eve Rudschies
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    Die rothaarige Katze vor Johann Albrecht Widmannstetter riss bedrohlich das Maul auf, doch vernahm er kein Fauchen, sondern ein tiefes, kehliges Grollen. Übler Gestank stieg ihm in die Nase und biss sich in seinen schmerzenden Kopf. Seine Glieder verweigerten jegliche Bewegung. Mühsam schlug er die Lider auf: Zwei funkelnde Augenpaare beobachteten ihn aufmerksam, vier goldgrüne Edelsteine in übergroßen Katzengesichtern. Wo war die rothaarige Katze? Wer waren diese beiden mit ihren runden Ohren und den riesigen Bärentatzen? Hatte er geträumt? Träumte er weiter?
    Widmannstetters sonst so scharfer Verstand arbeitete nur mühsam. Er fror. Er blickte hoch zum klaren Novemberhimmel und sah die Sterne. Als er den Blick wieder senkte, standen die beiden sphinxartigen Gestalten mit den Edelsteinaugen immer noch vor ihm. Der Gestank vernichtete seinen Zweifel, ebenso wie seine Hoffnung. »Bei allen Teufeln, was mache ich hier bloß?« Wie gelähmt lag er auf seinem wunden Rücken in der Löwengrube von Burg Trausnitz, der prachtvollen Residenz des Landshuter Herzogs Ludwig. Warum nur hatte der sich Löwen zulegen müssen? Nur weil sein Herr Bruder in München Krokodile hatte? Mit seinem Schicksal zu hadern half nicht, das war ihm klar. Er musste hier raus, bevor es sich die zwei Löwinnen anders überlegten. Doch wie? Der Löwengraben war tief, seine Mauern hoch, wenn auch nicht völlig glatt. Vielleicht konnte er, da von zierlichem Wuchs, hochklettern? Um Hilfe rufen?
    Er versuchte fieberhaft, sich an alles zu erinnern, was er über Löwen im Allgemeinen und diese im Besonderen wusste. Die beiden Weibchen und das jetzt unsichtbare, doch beeindruckende Männchen waren wohlgenährt und besser gepflegt als manch menschliches Wesen im Schloss. Sie besaßen einen Unterschlupf, der direkt an die Küche grenzte und deshalb auch im Winter Wärme bot. Würden sie ihn zur Mauer kriechen lassen? Er hatte vor einiger Zeit ein arabisches Manuskript übersetzt, das Jagdbuch eines syrischen Fürsten aus der Zeit des zweiten Kreuzzuges. Aus diesem Grund wusste er, dass Löwinnen jagen, während der königliche Gemahl ruht. Sie lauern ihrer Beute auf, folgen Blutspuren, reagieren auf Bewegungen und spielen mit ihrem Opfer wie jede kleine grausame Hauskatze mit einer Maus. Widmannstetter erschauderte: Hier war er die Maus! Er betastete langsam mit der rechten Hand seinen Gürtel und geriet in Panik: Sein Messer war nicht mehr da. Trotz pochenden Kopfes und schmerzenden Körpers sprang er auf, lief drei Schritte zur Mauer, zog sich hoch, schien an ihr zu kleben, nutzte jeden auch noch so kleinen Vorsprung an den Steinen. Leider fehlten diese völlig unterhalb des Grabenrandes, den er nur mit den Fingerkuppen erreichen konnte. Ohne richtigen Halt hing er da und spürte, wie seine Füße abrutschten. Er verdammte die unmäßig breiten Ochsenmaulschuhe, sein jüngstes Zugeständnis an die deutsche Mode. Mit seinen spitzen italienischen Stiefeln wäre er schon oben gewesen. Er riskierte einen Blick nach unten. Die Löwinnen peitschten nervös mit den Schwänzen. Auf jede seiner Bewegungen antworteten sie mit einem Muskelzittern unter dem Rückenfell. Das Männchen trat aus dem Bau und brüllte. Das feuerte seine Gefährtinnen an. Widmannstetter wusste: Sie würden springen und nach ihm greifen. Er verlor Stolz und Verstand. Wie ein Besessener schrie er um Hilfe, kratzte sich am Rand der Mauer die Fingerkuppen blutig und drohte doch abzustürzen. Hinein in die Fänge der Löwinnen!
    Da brach um den Löwengraben herum ein höllisches Getöse aus. Es gackerte, krächzte, quakte und röhrte laut in den umliegenden Hühner- und Hirschgräben sowie im Fasanenhaus. Dann griff die Panik auf das Vieh in den Stallgebäuden über. Die Hunde im Zwinger bellten, sogar die sonst eher gleichgültigen Greifvögel im Falkenturm meldeten sich. Hilflose Wut befiel Widmannstetter, fast wäre er hinuntergefallen.
    »Verfluchtes Viehzeug! Ist denn da draußen niemand?«
    In der Hofküche oberhalb des Löwengrabens sowie im Zerwirkgewölbe, das von der Küche her über den Hirschgraben zum Hofstall führte, nahm Widmannstetter Unruhe wahr. Man musste sich doch endlich über diesen tierischen Aufruhr wundern! Er schrie noch lauter. Die Raubkatzen stellten sich an der Mauer hoch und versuchten, ihn mit ihren Tatzen zu erreichen. Ein menschlicher Schatten zeichnete sich über ihm gegen den klaren Himmel ab.
    »Hier, hier bin ich, hier unten bei den Löwen. Helft

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