Die Braut des Shawnee-Kriegers
einfach laufen lassen? Sie war so ein harmloses Geschöpf, zerbrechlich und unschuldig wie ein Rehkitz. Er hätte sie einfach nur in sicherem Abstand bis nach Fort Pitt verfolgen und unauffällig beschützen können. Nun war es zu spät, ob sie nun am Leben blieb oder nicht. Er hatte ohnehin ihre Zukunft zerstört. Ebenso gut hätte er ihr den Schädel einschlagen können.
Plötzlich erbebte ihr Körper, und Wolf Heart spürte, wie es ihn heiß überlief. Er wusste, was jetzt zu tun war. Sanft legte er ihr die Hände um die Taille und hob sie hoch, so dass ihr Kopf herabhing. Clarissa begann zu würgen. Ihre in Korsettstangen gezwängten Rippen dehnten sich ruckartig, und sie gab einen Schwall schmutzig braunen Wassers von sich.
Wolf Heart wappnete sich innerlich, als er ihren zitternden Körper wieder ins Gras legte und auf den Rücken drehte. Es wäre einfacher für ihn gewesen, wenn sie ertrunken wäre. Jetzt fühlte er sich noch zerrissener als zuvor.
Clarissa hielt die Augen geschlossen, doch etwas Farbe kehrte in ihre blassen Wangen zurück. Das Mieder ihres Kleides, oder was davon noch übrig war, klebte nass und völlig verschmutzt an ihren kleinen, festen Brüsten. Ihr verfilztes Haar ringelte sich im Gras und umrahmte flammend ihr zart geschnittenes Gesicht.
Lange ließ Wolf Heart seinen Blick auf ihr ruhen. Dann schaute er zum Himmel hinauf und berührte mit den Fingerspitzen seinen Medizinbeutel.
Weshcat-welo k'weshe laweh-Pah. Die Worte Black Wings, seiner Shawnee-Mutter, fielen ihm ein. Mögen wir stark sein, um das Richtige zu tun.
Wieder heftete er den Blick auf ihr blasses Gesicht. Weshemoneto, Herr über alles Leben, mach mich stark, betete er stumm, lass mich nicht vergessen, wer ich bin und was ich tun muss.
Als Clarissa die Augen aufschlug, erblickte sie Wolf Heart, der sich über sie beugte. Sein Haar troff vor Wasser, und er wirkte tief besorgt. Sie schaute zu ihm auf und bemerkte, wie ein Muskel an seiner Wange zuckte und sein Mund hart wurde.
"Was hast du dir nur dabei gedacht?" knurrte er mit drohend gefurchter Stirn. "Ich habe dir zumindest genug Verstand zugetraut, um im Kanu zu bleiben."
"Was … ist passiert?" Sie blinzelte und hatte offensichtlich Mühe, sich zurechtzufinden.
"Du bist fast ertrunken, das ist passiert! Weshalb bist du so ein Risiko eingegangen?"
"Ich habe nicht gedacht, dass es so tief sein könnte." Clarissas Kehle war trocken und rau. Ihre Rippen stachen bei jedem Atemzug, und das grelle Licht der Sonne blendete sie.
"Soll das heißen, dass du gar nicht schwimmen kannst?" Wütend und ungläubig starrte er sie an.
"In Baltimore pflegt eine junge Dame keinen Schwimmunterricht zu nehmen", gab sie kühl zurück.
"Und trotzdem bist du in einen reißenden Fluss gesprungen und hast erwartet, ganz einfach mit der Strömung zu treiben?"
"Natürlich nicht. Ich wollte an Land waten, nicht schwimmen. Ich habe lediglich die Wassertiefe unterschätzt, das ist alles."
"Hast du wirklich gedacht, du könntest mir so einfach entwischen?" fragte er kopfschüttelnd.
"Eigentlich nicht."
"Warum hast du es dann riskiert?"
Mühsam richtete Clarissa sich auf, und das nasse Haar fiel ihr in die Augen. "So wie die Dinge liegen, hatte ich nichts zu verlieren", sagte sie.
"Nichts zu verlieren?" Heller Zorn blitzte in seinen Augen auf. "Da irrst du dich gewaltig. Du hast etwas verloren, was für uns beide sehr wichtig war."
Sein Blick streifte den Fluss. Erst jetzt kam Clarissa zu Bewusstsein, dass das Kanu nirgendwo zu sehen war und Wassertropfen auf Wolf Hearts kupferfarbener Haut glänzten. Sie begriff, dass dieser Mann ihr schon wieder das Leben gerettet hatte.
"Nicht nur das Kanu ist weg", fuhr er grollend fort. "Sondern auch Pfeile und Bogen, meine Decke und die Maiskuchen, die du essen solltest, wenn es dir wieder besser ging. Selbst meine Büffelledertasche ist jetzt irgendwo auf dem Fluss, und wir müssen nun beide hungern."
Er erhob sich und schaute finster auf sie herab. Dann ergriff er ihre Hand und zog Clarissa mit einem Ruck hoch. Sie taumelte, und ein heftiger Schwindel erfasste sie.
"Ich habe versucht, dir die Reise so angenehm wie möglich zu machen", sagte er mürrisch. Er drehte sie brüsk herum, so dass sie mit dem Rücken zu ihm stand, und gab ihr einen Schubs. "Du hast es vereitelt. Ohne das Kanu gibt es nur eine Möglichkeit, mein Dorf zu erreichen. Wir müssen laufen."
Es war mehr seine Stimme als der Schubs, die Clarissa vorwärts trieb. Ihre
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