Die Braut des Wuestenprinzen
Verwandte Karims, seine Tante Puran. Sie war die Schwester seiner Mutter, die Karim bereits mit dreizehn hatte beerdigen müssen. Außerdem gab es Cousins und Cousinen unterschiedlichsten Alters. Eine von ihnen, eine Fünfzehnjährige, folgte Karim wie sein Schatten und erregte zunächst Elenors Misstrauen. Aber Nargis bewunderte Elenor und hörte binnen einer Woche auf, Karim hinterherzulaufen.
Während eines kleinen, ungezwungenen Treffens im Beisein des Scheichs erklärte Elenor, dass sie bereit war, Karims Glauben anzunehmen. Am folgenden Tag begann die Hochzeitszeremonie. Wie es die Tradition verlangte, trug Elenor seidene grüne Wickelhosen und eine traumhafte golddurchwirkte Tunika. Ihr Haar bedeckte ein goldbesticktes, grünes Tuch. An Stirn, Händen und Füßen glitzerte fein gearbeiteter Schmuck. Durch die Farben, die sie trug, erstrahlten ihre Augen in einem goldgesprenkelten Grün. Der üppige Schmuck verlieh ihrem Gesicht eine exotische, geheimnisvolle Note. Gemeinsam mit Karim saß sie unter einem winzigen Baldachin aus goldenem Stoff, den vier Säulen hielten. Das war ein Ritual der ursprünglichen Religion, dem ein paar muslimische Elemente hinzugefügt worden waren. Karims Kleider leuchteten golden und burgunderrot. Mit dem burgunderfarbenen Turban sah er aus wie eine Abbildung aus Tausendundeine Nacht. Sein Anblick raubte Elenor den Atem.
Sie bekamen geweihte Speisen und Getränkte gereicht, mit denen sie sich gegenseitig fütterten. Dazu murmelten die Gäste Sprüche, die so alt waren, dass niemand mehr ihre Bedeutung kannte. Doch ihre geheime Kraft hatten die Beschwörungen über die Jahrhunderte hinweg nicht eingebüßt.
Die Happen, die sie sich gegenseitig in die Münder schoben, schienen ausschließlich aus Nüssen und Honig zu bestehen. Wenn ein Tropfen davon an Elenors Fingern hängen blieb, nahm Karim diese in den Mund und leckte sie ab. Sie schloss die Augen und atmete tief ein, bevor sie sich von Karim den nächsten Bissen in den Mund stecken ließ. An seinem Zeigefinger klebte ein Krümel, der sich nicht ablecken lassen wollte. Am Ende knabberte sie ihn vorsichtig mit den Schneidezähnen von seiner Fingerkuppe.
Das Gelächter, das darauf folgte, holte Elenor aus der Trance zurück, in die sie gefallen war. Schnell sah sie zu Karim hinüber, um eine Erklärung zu bekommen. „Es heißt, dass dem Paar eine turbulente Ehe ins Haus steht, wenn die Braut bei dieser Zeremonie die Zähne zeigt. Und dass die Entschädigung dafür ein reges Liebesleben ist“, flüsterte er. Da senkte Elenor verlegen den Blick und errötete.
Anschließend wurden sie durch ein Labyrinth von Räumen und Hallen geleitet, bis Elenor völlig die Orientierung verlor. Sie betraten einen sehr alten Teil des Palasts. An der Aufregung der Anwesenden erkannte Elenor, dass sie ihr Ziel fast erreicht hatten. Sie standen vor einer kunstvoll geschnitzten Holztür. Sie führte in das alte königliche Hochzeitsgemach. Dort hatte seit hunderten von Jahren jede königliche Braut die erste Nacht mit ihrem Bräutigam verbracht. Zwei von Karims Gefährten traten vor und öffneten die schwere Tür.
Viel Zeit zum Staunen blieb Elenor nicht. „Und jetzt … die Münzen!“, flüsterte die Dienerin, die nicht von ihrer Seite wich, mit feierlicher Miene. Elenor fiel der kleine goldene Beutel wieder ein, den das Dienstmädchen ihr in die Hand gedrückt hatte, mit der Anweisung, die darin enthaltenen Münzen auszuwerfen, sobald sie dazu aufgefordert würde. Mit zitternden Fingern schüttete Elenor die Münzen aus dem Säckchen in ihre Hand. Dann warf sie, genau wie unzählige Bräute vor ihr, die Münzen mit Schwung von sich, sodass sie klimpernd auf dem Steinboden landeten.
Sofort versuchte jeder, eine der Münzen zu ergattern, da sie dem Besitzer Glück brachten, so lange die eben geschlossene Ehe währte. Karim nutzte die Ablenkung, um Elenor mit Schwung auf seine Arme zu heben. Schnell griff Elenor nach ihrem Seidentuch, um es nicht zu verlieren, und warf die übrigen Münzen hinter sich. Dann trat Karim mit seiner strahlenden Last über die Schwelle, und die Tür schloss sich hinter ihnen. Nun waren sie seit jenem Abend unter der alten Eiche zum ersten Mal wirklich allein miteinander.
Seine Begierde, sie endlich zu besitzen, war im Laufe der Stunden immer größer geworden – und er hatte nicht versucht, dies vor ihr zu verbergen. Als er sie nun herunterließ, fühlte sie, wie seine Hände zitterten. Elenor schluckte und
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