Die Braut des Wuestenprinzen
versuchte, Karim nicht anzusehen.
In dem Zimmer gab es nur gedämpftes Licht. Auf dem flachen, großen Bett in der Mitte lagen Kissen, Decken, Felle und Seidentücher. Den gesamten Fußboden bedeckten Teppiche, und auch die Wände waren üppig behängt. Nie zuvor hatte Elenor so fein gearbeitete Seidenteppiche gesehen. Vögel, Bäume, Blumen, Mandalas und andere Ornamente zierten die ganz unterschiedlich alten Stücke. Die Steinwände waren mit kunstvoll geschnitztem Holt vertäfelt. Auf einem niedrigen, von Kissen umgebenen Tisch stand Essen auf einem Tablett, von kleinen Kerzen warm gehalten. Dahinter entdeckte Elenor eine Feuerstelle, deren glühende Kohlen die Kälte vertrieben. Denn trotz der hochsommerlichen Temperaturen war es im Inneren des Palasts durch die steinernen Wände recht kühl.
Noch immer wagte sie nicht, ihn anzusehen, und brachte kein Wort hervor.
Und dann stand er plötzlich vor ihr, sodass sie nichts anderes mehr sah als seinen imposanten Körper.
„Wie ist dein Name?“, fragte Elenor.
„Golnesah, Gnädigste.“
Die Frau sprach den Dialekt der Bergbewohner. Das wäre ungewöhnlich für jemanden vom Personal des Palasts, da es zumeist aus der Stadt kam. Den Bergbewohnern hingegen war es fremd, jemandem zu dienen. Zwar gab es bei ihnen Stammesführer, denen man aufgrund ihrer Stellung gehorchte, aber im Grunde respektierte man sich gegenseitig.
„Kommst du aus dem Palast?“, fragte Elenor trotzdem.
„Aus dem Palast? Nein. Wir verbringen den Sommer wieder im Tal, jetzt, wo der Krieg vorbei ist.“
Während sie sprach, wies die Frau aus dem Zelt. Elenor sah in der Ferne einige Feuer im Tal brennen.
„Das Wasser ist jetzt warm, Gnädigste“, sagte Golnesah.
„Vielen Dank“, antwortete Elenor.
„Soll ich Ihnen beim Ausziehen helfen?“
„Gern, das wäre sehr freundlich.“
Ratlos starrte Golnesah die enge Korsage des Kleids an, bis Elenor begriff, wo das Problem lag.„Der Verschluss ist hinten“, erklärte sie und drehte sich um. Nun sah Golnesah die vielen seidenüberzogenen Knöpfe.
„Aaah“, rief die Parvanerin und begann, das Kleid aufzuknöpfen. „Ein schönes Kleid, Gnädigste!“ Sie half Elenor aus den schönen Dessous und führte sie zu der Badewanne, die hinter einem Vorhang stand.
Als sie das Kleid heute Morgen angezogen hatte, war Elenor überzeugt gewesen, dass Gabriel es ihr ausziehen würde. Inzwischen hatte sie schon fast vergessen, dass heute ihr Hochzeitstag war.
„Oh, nein, Herrin! Was ist das denn?“
Elenor erwachte und stellte fest, dass Karim nicht mehr neben ihr lag. Stattdessen stand Dallia, die Dienerin vom vorigen Tag, mitten im Zimmer und starrte auf den Fußboden.
Durch die kleinen Fenster im Kuppeldach über dem Zimmer drang Licht herein.
„Was ist los?“ Verschlafen setzte Elenor sich auf.
„Woher kommt diese Münze?“ Immer noch starrte die Dienerin auf den Boden, wo ein runder, glänzender Gegenstand lag.
Elenor versuchte, sich zu erinnern. „Sie hatte sich in meinem Schal verfangen und ist dann später herausgefallen“, antwortete sie.
„Oh, nein, Herrin, oh, nein“, rief das Dienstmädchen klagend.
„Was hat es damit auf sich?“, fragte Elenor ängstlich. „Dallia, sag es mir.“ Sie stand auf und ging auf das Mädchen zu. Gestern Abend hatten dessen Augen noch so freudig gefunkelt, nun aber war ihr Blick voller Furcht.
„Herrin, ich habe euch doch gesagt, dass ihr alle Münzen werfen müsst!“ Mit den Augen suchte sie jetzt den gesamten Fußboden ab. „Wie viele Münzen sind heruntergefallen?“
Als Elenor sich bückte, um nach der Münze auf dem Boden zu greifen, rief Dallia entsetzt: „Nein! Nicht berühren!“
Nun verstand Elenor. Offensichtlich hatte sie bei dem Ritual mit den Münzen etwas falsch gemacht. Die Anwesenheit der Münze im Raum brachte scheinbar Unglück.
„Was bedeutet das?“, fragte Elenor leise und spürte, wie sie eine Gänsehaut bekam.
„War es nur eine Münze? Ganz sicher nur eine?“
„Ich habe nur eine gesehen.“
„Eine Münze bedeutet, dass es einen Feind gibt, Herrin.“ Sie verstummte.
„Einen Feind?“, hakte Elenor nach.
„Ein Feind, der sich zwischen Euch und Euren Gatten stellen will.“ Dallia versuchte zu lächeln. „Aber so Gott will, wird das nicht geschehen.“
Kurz darauf verließ Dallia das Gemach und kam ein paar Minuten später in Begleitung eines Kinds zurück. Das Kind ging geradewegs auf die Münze zu und hob sie auf.
„Na also!“, strahlte
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