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Die brennende Gasse

Die brennende Gasse

Titel: Die brennende Gasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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ganz Europa mit ihrem schmerzlichen Ende in London. Er schob die Erinnerung beiseite und packte den hölzernen Griff der Bahre fester.
    » Müssen wir dieses Ding tragen? « sagte er. » Könnten wir es nicht hinter uns herziehen? «
    » Jaja … und auf dem Waldboden eine Spur hinterlassen, der selbst ein Edelmann zu folgen wüßte «, antwortete der Franzose Karle. » Möge es Gott gefallen, daß Navarra nicht ausreitet, um mich zu suchen, bevor wir zu Jean zurückkehren. Als ich letzte Nacht unsere Spuren verwischt habe, war es dunkel, und ich mußte eilig fliehen. Unter Umständen sind sie nicht alle gänzlich ausgelöscht. « Nervös sah er sich um und prüfte die Schneise, die ihre Schritte auf den abgefallenen Ästen und Blättern hinterließen. » Wir werden einen besonders geschickten Nothelfer brauchen, der unsere Tritte auf diesem Waldboden verschwinden läßt! «
    » Ein von uns beseitigter Ast wird eine bessere Wirkung erzielen als jeder Nothelfer, denke ich, und es geht mit Sicherheit schneller «, sagte Alejandro.
    » Da ist was Wahres dran, weiß Gott «, keuchte Karle. » Und noch eine Wahrheit: Ich muß mich einen Augenblick ausruhen. «
    Nach ein paar Minuten nahm das eigenartige Trio seine Gnadenmission wieder auf. In einer Hand trug Kate Alejandros kleinen Spaten, ein jämmerliches Ding im Vergleich zu der kräftigen Eisenschaufel, die der Schmied Carlos Alderón vor so langer Zeit in Spanien für ihn angefertigt hatte. Hätte ich doch damals einen Nothelfer gehabt, um die Folgen meiner » Sünde « abzumildern, dachte Alejandro. Aber welcher Fürsprecher würde für die Sünden eines Juden einspringen? Und zu welchem exorbitanten Preis?
    Träge landete eine Fliege auf seiner Nase. Er blies nach oben, und sie flog auf der Suche nach einem anderen verschwitzten Opfer, das sie belästigen konnte, davon; schließlich ließ sie sich auf dem Leichnam nieder.
    Doch warum war es eine Sünde, nach Wissen zu streben? zermarterte er sich das Hirn.
    Der stetige Trott seiner Schritte lullte ihn ein, und Erinnerungen überfielen ihn.
    Fast zehn Jahre ist es her. Der Gedanke erfüllte ihn mit schrecklicher Reue, und bei jedem Schritt durch den Wald versank er tiefer in Melancholie. Chaotische Jahre von Pest, Aufruhr, erzwungener Wanderschaft durch ganz Europa, die letzten Jahre auf der Flucht vor den kriegführenden Truppen von Edward Plantagenet und einem Haufen Cousins eben dieses Königs sowie dem gesamten französischen Königshaus; und keiner von allen schien zu begreifen, daß der wahre Herrscher Europas jene furchtbare Pestilenz war, die sogar den Weltenschöpfer in ihrer Gegenwart erbeben ließ. Ein Jahrzehnt lang hatte Alejandro beobachtet, wie die Pest wich, zurückkehrte, wich, zurückkehrte, kreuz und quer durch Frankreich, England, Spanien, Böhmen und überall dahin eilte, wo die Ratten, ihre Überträger, Unterschlupf fanden. Fast die Hälfte der Bürger dieser » aufgeklärten « Nationen hatten sie mit Beulen bedeckt und verfault in ihre Gräber geschickt. Zehn Jahre lang waren er und das Mädchen von einem » sicheren « Ort zum nächsten geflohen und hatten ihre Identität verborgen, nur um dann festzustellen, daß es keine sichere Bleibe gab. Immer zog irgend jemand beim Anblick des maurisch aussehenden Mannes mit dem goldenen Kind die Brauen hoch. Wem glich sie, die kleine Schönheit?
    Ganz gewiß, so klagten die argwöhnischen Blicke ihn an, kann sie nicht deine Tochter sein. Und dieses Gesicht oder ein ganz ähnliches habe ich schon einmal gesehen …
    Den ersten kalten Winter hatten sie versteckt außerhalb von Calais verbracht und waren von einer verlassenen Hütte zur nächsten gezogen – denjenigen, die ihn wegen der hübschen Prämie auf seinen Kopf verfolgten, immer nur einen oder zwei Schritte voraus. Er hörte von einem Ghetto in Straßburg flüstern, und in hoffnungsvoller Erwartung ritten sie los.
    An diesem Winternachmittag fanden sie nicht den erwarteten sicheren Hafen, sondern das nackte Grauen vor. Auf dem Stadtplatz wimmelte es von Juden mit ihrer gebündelten Habe, umgeben von Bogenschützen. Sie waren aus Basel und Friedberg dorthin getrieben worden von aufgebrachten Christen, die den wütenden, unsinnigen Vorwurf gegen sie erhoben, Brunnen zu vergiften. Wie hatte er die mutigen christlichen Deputierten Straßburgs bewundert, die bekanntermaßen wiederholten, über » ihre « Juden könnten sie sich nicht beschweren; er hatte zu jedem Gott, der zuhören wollte, gebetet,

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