Die Brooklyn-Revue
geschwärmt, ich für die Giants. Sie aß gern Fisch und Pasta, ich Fleisch und Kartoffeln. Und doch – und was ist rätselhafter am Menschenleben als dieses
doch
? – kamen wir ganz prächtig miteinander aus. Ich hatte mich schon an dem Morgen, als wir (auf der Seventh Avenue mit Nancy) einander vorgestellt wurden, zu ihr hingezogen gefühlt, aber erst bei unserem ersten längeren Gespräch bei der Abschiedsfeier für Harry begriff ich, dass es womöglich zwischen uns funken könnte. In einer Anwandlung von Schüchternheit hatte ich gezögert, sie danach anzurufen, aber eine Woche später lud sie mich zum Essen bei sich zu Hause ein, und damit ging der Flirt los.
Habe ich sie geliebt? Ja, wahrscheinlich habe ich sie geliebt. Soweit ich überhaupt jemanden lieben konnte, warJoyce
die
Frau für mich, die einzige Kandidatin auf meiner Liste. Es mochte nicht die totale, hundertprozentige Leidenschaft gewesen sein, die angeblich das Wort
Liebe
definiert, kam dem aber sehr nahe – so nahe, dass es praktisch keinen Unterschied mehr machte. Sie brachte mich oft zum Lachen, was nach Ansicht von Fachleuten die beste Medizin für Geist und Körper ist. Sie tolerierte meine Schwächen und Widersprüche, ertrug meine depressiven Phasen, blieb gelassen, wenn ich meine wütenden Tiraden gegen die Republikaner, die CIA und Rudolph Giuliani vom Stapel ließ. Sie amüsierte mich mit ihrer fanatischen Begeisterung für die Mets. Sie verblüffte mich mit ihrem enzyklopädischen Wissen über alte Hollywoodfilme und ihrer Fähigkeit, jeden unbedeutenden und längst vergessenen Schauspieler zu benennen, der nur einmal kurz über die Leinwand huschte.
(Sieh mal, Nathan, das ist Franklin Pangborn … da, Una Merkle … da, C. Aubrey Smith.)
Ich bewunderte sie für die Tapferkeit, mit der sie sich von mir aus dem
Buch menschlicher Torheiten
vorlesen ließ und wie sie dann in ihrer gutmütigen Ahnungslosigkeit meine lumpigen Geschichten als Literatur ersten Ranges behandelte. Ja, ich habe sie so sehr geliebt, wie das Gesetz (das Gesetz meiner Natur) es zuließ – aber war ich bereit, mit ihr den Rest meines Lebens zu verbringen? Wollte ich sie an jedem Tag der Woche sehen? War ich verrückt genug nach ihr, ihr die große Frage zu stellen? Ich war mir nicht sicher. Nach der langjährigen Katastrophe mit
Name gestrichen
zögerte ich verständlicherweise, es noch einmal mit der Ehe zu versuchen. Aber Joyce war eine Frau, und da die überwältigende Mehrheit der Frauen die Zweisamkeit der Einsamkeit vorzuziehen scheint, glaubte ich ihr den Beweis schuldig zu sein, dass ich es ernst meinte. In einem der dunkelsten Augenblicke dieses Herbstes – zwei Tage nachdem Rachel eine Fehlgeburterlitten hatte, vier Tage nachdem Bush unrechtmäßig die Wahl gewonnen hatte und zwölf Tage bevor es Henry Peoples gelang, die verschollene Aurora aufzuspüren – gab ich meinen Widerstand auf und tat es. Zu meiner ungeheuren Überraschung reagierte Joyce auf meinen Heiratsantrag mit johlendem Gelächter. «O Nathan», sagte sie, «lass den Quatsch. Wir haben’s doch gut so. Wozu daran rühren und uns womöglich in Schwierigkeiten bringen? Die Ehe ist was für junge Leute, die Kinder haben wollen. Das haben wir längst hinter uns. Wir sind frei. Wir können vögeln wie die Weltmeister und werden nie mehr schwanger werden. Du brauchst nur zu pfeifen, Mann, und mein dicker italienischer Arsch steht dir zur Verfügung, okay? Du kriegst meinen Arsch, und ich kriege deinen hübschen jüdischen Duweißtschon. Du bist mein erster Jude, Nathan, und da du jetzt mal vor meiner Haustür geparkt hast, lass ich dich nicht wieder laufen. Du kannst mich haben, Baby. Aber das mit dem Heiraten schlag dir aus dem Kopf. Ich will keine Ehefrau mehr sein, und ich sag dir was, mein Süßer, mein kleiner Scherzbold, du taugst nicht zum Ehemann.»
Trotz dieser harten Worte brach sie gleich darauf in Tränen aus – plötzlich überwältigt, verlor sie zum ersten Mal, seit ich sie kannte, die Kontrolle über sich. Ich nahm an, dass sie an ihren verstorbenen Tony dachte, sich an den Mann erinnerte, zu dem sie Ja gesagt hatte, als sie fast noch ein Mädchen gewesen war, den Ehemann, der ihr mit einundfünfzig Jahren gestorben war, die Liebe ihres Lebens. Das mochte auch so sein, aber was sie dann zu mir sagte, war etwas vollkommen anderes. «Denk nicht, dass ich das nicht zu schätzen weiß, Nathan. Du bist das Beste, was mir seit langer Zeit passiert ist. Und jetzt das,
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