Die Bruderschaft vom Heiligen Gral 01 - Der Fall von Akkon
seinem verbissenen Schweigen. Vor ihnen tauchte der Nonnenkonvent St. Lazarus auf. Ein Seitengebäude des Klosters war offensichtlich von einem Geschoss mit griechischem Feuer getroffen worden, denn es war bis auf seine Grundmauern niedergebrannt. Auch ein Teil der Mauer lag in Trümmern. Schäden hatte auch das Hospital der Deutschritter auf der anderen Straßenseite davongetragen. Beim Anblick des Klosters musste Gerolt unwillkürlich an das Lazarus-Hospital denken, das aus gutem Grund nicht mitten in der Stadt, sondern nördlich der inneren Wallanlage im weniger dicht bebauten Vorort Montmusard lag. Dort pflegten die Mitglieder des Lazarus-Ordens mit unglaublicher Aufopferung fast ausschließlich Aussätzige. Sofort hatte Gerolt die schauerlichen Lazarus-Krieger vor Augen, die den militärischen Arm der Bruderschaft bildeten – und bei denen es sich ebenfalls um Aussätzige handelte. Diese Männer suchten lieber im Kampf einen ehrenvollen Tod, als langsam von ihrer Krankheit aufgefressen zu werden. Mit Schaudern erinnerte er sich an jene Schlacht, bei der eine Schwadron von Lazarus-Kriegern die Einheiten der Templer verstärkt hatte. Sie hatten nicht nur unter den Feinden Angst und Schrecken verbreitet, sondern auch die Templer in heftige Beklemmung versetzt. Denn jeder Templer wusste, was von ihm erwartet wurde, wenn er von diesem schrecklichen Leiden befallen wurde – nämlich dass er von sich aus zum Lazarus-Orden wechselte.
»Nun gut, das kann ich verstehen«, fuhr Maurice ungerührt fort, während sie St. Lazarus auf seiner Nordwestseite im Eilschritt passierten, an einem der hölzernen Brieftaubentürme von Akkon vorbeikamen, die im Krieg auch als Signaltürme dienten, und dann in die Straße einbogen, die sie wenig später um die Kirche St. Maria herumführte und weiter nach Süden in die Viertel der Italiener brachte. »Es hat ja auch nichts mit uns zu tun. Aber dein Schweigen wird dir nicht helfen, Gerolt von Weißenfels! Du wirst mir zuhören müssen, ob es dir nun gefällt oder nicht. Und je eher du mir zuhörst und mir antwortest, desto leichter machst du es uns beiden. So ein Weg hinunter zum Hafen und wieder zurück zur Burg kann reichlich lang werden!« Anstelle einer Antwort schnitt Gerolt ihm an der nächsten scharfen Biegung so unvermittelt den Weg ab, dass Maurice recht unsanft mit der rechten Schulter gegen die Hausecke stieß. Augenblicke später klebte der Franzose wieder an seiner Seite. Er schwieg einige Sekunden lang, als hätte er aufgegeben. Doch dem war nicht so. Als er das Wort wieder an Gerolt richtete, war sein Tonfall allerdings deutlich verändert. Das Leichtfertige und Spöttische war aus seiner Stimme verschwunden. »Genug des leichten Geplänkels, mit dem ich törichterweise meine Beschämung angesichts meines dümmlichen Ausrutschers zu überspielen versucht habe!«, gestand er zerknirscht ein. »Jetzt also ernsthaft und in der gebotenen Form: Ich danke dir für dein beherztes Eingreifen, mit dem du mir heute Morgen das Leben gerettet hast, Gerolt von Weißenfels. Ich bin zwar bereit, für Gott mein Leben zu lassen, doch es drängt mich nichts, so jung schon zum Märtyrer und Blutzeugen Christi zu werden. Und bei meiner Ehre als Templer biete ich dir meine Entschuldigung an, dass ich mich auf dem Wehrgang sowie vorhin in den Stallungen so aufge blasen und undankbar benommen habe! Im Grunde habe ich mich geschämt und wollte es nur nicht wahrhaben, der Herr ist mein Zeuge!« Er machte eine gewichtige Pause, während sie die Heilig-Kreuz-Kirche und den Palast des Patriarchen links liegen ließen. »Ich appelliere an deine Großmut, nicht eine Dummheit mit einer anderen zu vergelten, sondern meine aufrichtig gemeinte Entschuldigung anzunehmen.« Gerolt reagierte nicht sofort. Sie kreuzten die vom Neuen Tor herkommende Hauptstraße, auf der es kaum ein Durchkommen gab, zwängten sich durch das lärmende Gewimmel der zum und vom Hafen drängenden Menschen und tauchten auf der gegenüberliegenden Seite in eine gewundene Gasse ein, die schon zum Genueser Viertel gehörte. Nicht weit vor ihnen brannte der Dachstuhl eines Warenlagers, der wohl erst vor Kurzem von einem Feuertopf der Mamelucken getroffen worden war. Man sah eine Rauchsäule aufsteigen und zu ihnen drangen die aufgeregten Stimmen der Menschen, die das Feuer bekämpften. In diesem Bezirk der Stadt, der vor der Besitznahme durch Genuas Kaufleute von Arabern bewohnt gewesen war und der daher auch noch viele
Weitere Kostenlose Bücher