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Die Brücke

Die Brücke

Titel: Die Brücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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mit einem Besen bewaffneter Barkeeper
hält mir den breitrandigen Hut hin. »Ihr Hut.« Er
wedelt damit für den Fall, ich könnte glauben, er habe den
Besen gemeint. Ich nehme den verdammten Deckel und bin
überzeugt, hätte er einen Wert für mich besessen,
hätte ich mich um ihn gekümmert und Vorsorge getroffen, ihn
nicht zu verlieren, wäre er ganz bestimmt auf Nimmerwiedersehen
verschwunden gewesen.
    Am Eingang wird Tommy Bouch von dem nicht länger schlafenden
Türsteher gegen die Wand gedrückt und über seine
Identität und seinen Wohnsitz befragt. Ingenieur Bouch ist
anscheinend unfähig, zusammenhängende Geräusche von
sich zu geben. Sein Gesicht hat eine entschieden grüne
Färbung, und der Türsteher hat Mühe, ihn aufrecht zu
halten.
    »Sie kennen diesen Gentleman, Sir?« fragt der
Türsteher. Ich schüttle den Kopf.
    »Nie gesehen.« Dann schiebe ich dem Türsteher den
Hut zwischen die Arme. »Aber er hat drinnen seinen Hut
liegengelassen.«
    »Oh, ich danke Ihnen, Sir«, sagt der Türsteher. Er
hält dem Ingenieur den Hut vor das Gesicht, so daß Bouch
ihn (oder sie beide, wie auch immer) sehen kann. »Sehen Sie,
Sir, Ihr Hut.«
    »Bessen Dan’«, gelingt es Ingenieur Bouch, zu
artikulieren, bevor er den Inhalt seines Magens ins Innere des Hutes
überträgt. Dank des breiten Randes spritzt
verhältnismäßig wenig heraus.
    Ich gehe und empfinde ein merkwürdiges Triumphgefühl.
Vielleicht war das von Anfang an der Grund, warum er den Hut haben
wollte.
     
    »Nicht hier?«
    »Oh, Himmel, Sie wissen, daß es mir wirklich und
wahrhaftig leid tut, Mr. Orr, aber nein, er ist nicht
hier.«
    »Aber ich habe…«
    »Einen Termin, ja, ich weiß, Mr. Orr. Da steht es,
sehen Sie?«
    »Ja, was ist denn los?«
    »Dringende Konferenz des Ausschusses für
Sicherheitsfragen im Verwaltungskomitee, tut mir leid, ziemlich
wichtig. Der Doktor hatte letzte Zeit sehr viel zu tun, Sir. Seine
Zeit wird von so vielem in Anspruch genommen. Sie dürfen
das nicht persönlich nehmen, Mr. Orr.«
    »Ich bin kein…«
    »So geht es nun einmal. Niemand hat Freude an diesem ganzen
Verwaltungskram, aber es ist eben eine Schmutzarbeit, die getan
werden muß.«
    »Ja, ich…«
    »Es hätte ebenso auf den Termin von irgend jemand anders
fallen können; Sie haben eben Pech gehabt.«
    »Ich weiß es zu würdigen,
daß…«
    »Sie dürfen das nicht persönlich nehmen. So geht es
nun einmal.«
    »Ja, natürlich…«
    »Und natürlich besteht überhaupt kein Zusammenhang
damit, daß wir neulich vergessen haben, Sie über unseren
Umzug zu benachrichtigen. Das ist ein rein zufälliges
Zusammentreffen; es hätte absolut jedem passieren können.
Sie haben eben Pech gehabt. Es ist wirklich, wirklich nichts Persönliches.«
    »Ich…«
    »Sie dürfen es nicht so auffassen.«
    »Ich fasse es nicht so auf!«
    »Oh, Mr. Orr, wir wollen doch nicht so empfindlich
sein!«
     
    Draußen kommt mir die ereignisreiche Aufzugfahrt von gestern
in den Sinn. Ich gehe in die gleiche Richtung und halte Ausschau nach
dem riesigen runden Fenster und dem ihm gegenüberliegenden
Eingang zu dem baufälligen, L-förmigen Lift.
    Immer frustrierter und verärgerter wandere ich über eine
Stunde durch die düstere Oberstruktur mit ihren hohen Decken,
vorbei an den gleichen Nischen mit den blinden Statuen (in blassem
Stein festgehaltene alte Bürokraten) und an den gleichen schwer
niederhängenden Fahnen (eingerollt wie plumpe Segel auf einem
großen dunklen Schiff), aber ohne das runde Fenster, den alten
bärtigen Mann oder den Lift zu finden. Ein Oberbeamter, dessen
Abzeichen verraten, daß er ein Veteran mit mindestens
dreißig Dienstjahren ist, blickt verwirrt drein und
schüttelt den Kopf, als ich ihm den Lift und den ergrauten
Fahrstuhlführer beschreibe.
    Schließlich (der Doktor wäre nicht stolz auf mich) gebe
ich auf.
     
    Ich verbringe die nächsten paar Stunden mit dem Besuch
verschiedener kleiner Galerien in einem Abschnitt der Brücke,
der ziemlich weit von meinem üblichen Jagdrevier entfernt liegt.
Die Galerien sind dunkel und muffig, und die Aufseher zeigen sich
überrascht, daß jemand kommt, die Ausstellungsstücke
anzusehen. Nichts gefällt mir; alles wirkt müde und
erschöpft, die Gemälde verwaschen, die Skulpturen
eingeschrumpft. Schlimmer als die armselige Ausführung ist
jedoch die ungesunde Konzentration auf die Verzerrungen der
menschlichen Gestalt, der sich anscheinend sämtliche
Künstler befleißigen. Die Bildhauer verkrüppeln sie
zu einer

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