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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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Ich habe daran gedacht und alles überlegt! Ich beobachte Sie in dieser Absicht
    schon einen Monat lang. An die hundertmal habe ich Sie angesehen, wenn Sie vorübergingen, und mir dabei immer wieder gesagt: Das ist ein energischer Mann, der gehört in die Goldbergwerke! Ich habe sogar Ihren Gang studiert und bin zu der Überzeugung gelangt, dieser Mann wird viel Gold finden!«
    »Aus meinem Gang haben Sie das geschlossen, gnädige Frau?« fragte Mitja lächelnd.
    »Gewiß, auch aus dem Gang. Wollen Sie etwa bestreiten, daß man aus dem Gang den Charakter erkennen kann, Dmitri Fjodorowitsch? Die Naturwissenschaft bestätigt das ebenfalls. Oh, ich bin jetzt Realistin, Dmitri Fjodorowitsch. Ich bin ab heute, nach dieser Geschichte im Kloster, die mich so angegriffen hat, Realistin und will mich einer praktischen Tätigkeit widmen. Ich hin geheilt! ›Genug!‹ wie Turgenew sagt.«
    »Und diese dreitausend Rubel, die Sie mir so großmütig zu leihen versprachen, gnädige Frau?«
    »Die werden Ihnen nicht entgehen, Dmitri Fjodorowitsch!« unterbrach ihn Frau Chochlakowa. »Diese dreitausend Rubel haben Sie schon so gut wie in der Tasche, nicht nur dreitausend, sondern drei Millionen, Dmitri Fjodorowitsch, und zwar in ganz kurzer Zeit! Ich werde Ihnen Ihre Bestimmung sagen: Sie werden in den Bergwerken Gold finden, werden Millionen erwerben, zurückkehren und eine großartige Tätigkeit entfalten. Sie werden auch uns fördern und uns zum Guten hinführen. Muß man denn alles den Juden überlassen? Sie werden Gebäude errichten und allerlei Unternehmungen ins Leben rufen. Sie werdenden Armen helfen, und diese werden Sie segnen. Jetzt ist das Jahrhundert der Eisenbahnen, Dmitri Fjodorowitsch. Sie werden eine bekannte Persönlichkeit, werden dem Finanzministerium unentbehrlich, das sich jetzt in solcher Not befindet. Der Fall unseres Papierrubels raubt mir den Schlaf, Dmiti Fjodorowitsch, von dieser Seite kennt man mich wenig ...«
    »Gnädige Frau, gnädige Frau«, unterbrach Dmitri Fjodorowitsch sie wieder in einer unruhigen Vorahnung. »Ich werde Ihren Rat, Ihren klugen Rat gewiß befolgen, gnädige Frau, mich vielleicht dorthin begeben ... in diese Goldbergwerke ... Und ich werde noch einmal zu Ihnen kommen, um mit Ihnen darüber zu sprechen ... Sogar noch viele Male ... Aber jetzt, diese dreitausend Rubel, die Sie so großmütig ... Oh, dieses Geld wird mit aus der Not helfen, und wenn es heute möglich ist ... Das heißt, sehen Sie, ich habe jetzt keine Stunde Zeit mehr, auch nicht eine Stunde...«
    »Genug, Dmitri Fjodorowitsch, genug!« unterbrach ihn Frau Chochlakowa hartnäckig. »Eine Frage. Werden Sie in die Goldbergwerke fahren oder nicht? Sind Sie dazu fest entschlossen? Antworten Sie mathematisch genau!«
    »Ich werde hinfahren, gnädige Frau, später ... Ich werde fahren, wohin Sie wollen, gnädige Frau ... Aber jetzt ...«
    »Warten Sie einen Augenblick!« rief Frau Chochlakowa, sprang auf, eilte zu ihrem prächtigen Schreibtisch mit den zahllosen Schubfächern und begann, ein Schubfach nach dem anderen herauszuziehen, wobei sie in großer Hast etwas suchte.
    ›Die dreitausend!‹ dachte Mitja, und sein Herz stand fast still. ›Und das sofort, ohne alle Papiere, ohne ein Schriftstück ... Oh, das ist vornehm und anständig! Eine prächtige Frau, wenn sie nur nicht so geschwätzig wäre ...‹
    »Da!« rief Frau Chochlakowa erfreut und kehrte zu Mitja zurück. »Da ist das, was ich suchte!«
    Es war ein winziges silbernes Heiligenbild an einem Schnürchen, wie man es manchmal mit dem Kreuz auf der Brust trägt.
    »Das ist aus Kiew, Dmitri Fjodorowitsch«, fuhr sie andächtig fort. »Von den Reliquien der Märtyrerin Warwara. Gestatten Sie, daß ich es Ihnen selbst um den Hals hänge und Sie damit für ein neues Leben und für neue Taten segne.«
    Und sie hängte ihm das Heiligenbildchen wirklich um den Hals und versuchte, es an die richtige Stelle zu bringen. Mitja bückte sich in großer Verlegenheit, half ihr dabei und schob endlich das Bildchen durch die Krawatte und den Hemdkragen auf die Brust.
    »So, jetzt können Sie fahren!« sagte Frau Chochlakowa und setzte sich triumphierend wieder auf ihren Platz.
    »Gnädige Frau, ich bin gerührt ... Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll für so viel Teilnahme! Aber ... Wenn Sie wüßten, wie kostbar jetzt meine Zeit ist! ... Die Summe, die ich so sehnsüchtig von Ihrer Großmut erwarte ... Oh, gnädige Frau, wenn Sie schon so gütig und großmütig zu

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