Die Brüder Karamasow
würde ich Ihnen nichts geben! Um Sie zu retten, würde ich Ihnen nichts geben! Denn was Sie brauchen, ist nur das eine: die Goldbergwerke, die Goldbergwerke und nochmals die Goldbergwerke!«
»Zum Teufel!« brüllte Mitja und schlug aus voller Kraft mit der Faust auf den Tisch.
»Um Gottes willen!« schrie Frau Chochlakowa erschrocken und flüchtete ans andere Ende des Salons.
Mitja spuckte aus und ging mit schnellen Schritten aus dem Zimmer, aus dem Haus, hinaus auf die Straße, in die Dunkelheit. Er ging wie geistesgestört und schlug sich auf die Brust, auf dieselbe Stelle, auf die er sich zwei Tage vorher geschlagen hatte, als er zum letztenmal mit Aljoscha zusammen gewesen war. Was dieses Schlagen an die Brust, an diese Stelle, bedeutete und worauf er damit hinweisen wollte, das war einstweilen noch ein Geheimnis, das niemand in der Welt kannte und das er damals nicht einmal seinem Bruder Aljoscha enthüllt hatte. Aber in diesem Geheimnis lag für ihn mehr als Schande: darin lag Untergang und Selbstmord. Dazu hatte er sich bereits entschlossen, wenn ihm nicht gelingen sollte, sich die dreitausend Rubel zu verschaffen, sie an Katerina Iwanowna zurückzuzahlen und dadurch von seiner Brust, von jener Stelle der Brust, die Schande zu nehmen, die sein Gewissen so bedrückte. Alles dies wird dem Leser im folgenden klarwerden; jetzt jedenfalls, nachdem seine letzte Hoffnung geschwunden war, brach dieser körperlich starke Mensch, kaum einige Schritte von Frau Chochlakowas Haus entfernt, plötzlich wie ein kleines Kind in Tränen aus. Er lief und wischte sich selbstvergessen mit der Faust die Tränen ab. So gelangte er auf den Marktplatz und fühlte auf einmal, wie er mit dem Körper gegen etwas stieß. Er hörte das kreischende Geschrei einer alten Frau, die er beinahe umgeworfen hätte.
»Herrgott, hast mich fast getötet! Bist du vielleicht blind, du Lumpenkerl!«
»Ach, Sie sind das?« rief Mitja, als er im Dunkeln die Alte erkannt hatte. Es war die alte Dienerin Kusma Samsonows, an die er sich von seinem Besuch am vorigen Tag noch gut erinnern konnte.
»Und wer sind Sie, Väterchen?« fragte die Alte in verändertem Ton. »Ich kann Sie im Dunkeln nicht erkennen.«
»Sie wohnen bei Kusma Kusmitsch und stehen da im Dienst?«
»Jawohl, Väterchen. Ich wollte eben nur rasch zu Prochorytsch laufen. Aber ich kann Sie noch gar nicht erkennen.«
»Sagen Sie mal, Mütterchen, ist Agrafena Alexandrowna jetzt bei Ihnen?« fragte Mitja, außer sich vor Ungeduld. »Ich habe sie vorhin selbst hinbegleitet.«
»Sie, war da, Väterchen. Sie kam, blieb ein Weilchen da und ging wieder weg.«
»Wie? Sie ist wieder weggegangen?« schrie Mitja. »Wann ist sie weggegangen?«
»Sie ist sehr bald wieder weggegangen, sie hat nur ein Augenblickchen bei uns gesessen. Sie hat dem alten Kusma Kusmitsch ein Märchen erzählt, hat ihn zum Lachen gebracht und ist dann wieder weggelaufen.«
»Du lügst, Kanaille!« brüllte Mitja.
»Herr du mein Gott!« schrie die Alte, doch Mitja war schon verschwunden.
Er lief so schnell er konnte zum Haus der Frau Morosowa. Das war zu der Zeit, als Gruschenka nach Mokroje gefahren war; seit ihrer Abfahrt war noch keine Viertelstunde vergangen.
Fenja saß mit ihrer Großmutter, der Köchin Matjrona, in der Küche, als plötzlich der »Hauptmann« hereinstürzte. Bei seinem Anblick schrie Fenja laut auf.
»Du schreist?« brüllte Mitja. »Wo ist sie?«
Und bevor die vor Schreck erstarrte Fenja antworten konnte, warf er sich ihr zu Füßen.
»Fenja, um unseres Herrn Jesu Christi willen, sag mir, wo ist sie?«
»Väterchen, ich weiß nichts! Täubchen Dmitri Fjodorowitsch, ich weiß nichts! Und wenn Sie mich totschlagen, ich weiß nichts!« schwor Fenja. »Sie sind ja selbst vorhin mit ihr weggegangen ...«
»Sie ist zurückgekommen!«
»Täubchen, sie ist nicht gekommen! Ich schwöre bei Gott, sie ist nicht gekommen!«
»Du lügst!« schrie Mitja. »Schon an deinem Schreck merke ich, wo sie ist!«
Er stürzte hinaus.
Fenja war froh, daß sie so leicht davongekommen war; sie wußte allerdings sehr wohl, daß er nur keine Zeit gehabt hatte, sonst wäre es ihr vielleicht schlimm ergangen. Doch im Davonlaufen überraschte Mitja Fenja und die alte Matrjona durch eine unerwartete Handlung: Auf dem Tisch stand ein Mörser aus Messing und darin ein Stößel, ein kleiner Messingstößel, kaum eine Spanne lang. Als Mitja schon mit der einen Hand die Tür geöffnet hatte, nahm er plötzlich rasch
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