Die Brüder Karamasow
wollte; er hatte beschlossen, sich von dieser Dame dreitausend Rubel zu borgen. Und was die Hauptsache war: auf einmal, ganz plötzlich, war eine ungewöhnliche Zuversicht über ihn gekommen, sie werde es ihm nicht abschlagen. Vielleicht werden sich die Leser wundern, warum er, wenn er so eine Zuversicht hegte, nicht von vornherein zu ihr, sozusagen zu einer Angehörigen seiner eigenen Gesellschaft, gegangen war, sondern sich an Samsonow gewandt hatte, an einen Menschen aus einer fremden Schicht, mit dem er nicht einmal richtig reden konnte. Der Grund war, daß er mit Frau Chochlakowa in der letzten Zeit fast ganz auseinandergekommen und mit ihr auch früher nur wenig bekannt gewesen war; außerdem wußte er, daß sie selbst ihn nicht leiden konnte. Diese Dame haßte ihn von Anfang an einfach deswegen, weil er Katerina Iwanownas Bräutigam war, während bei ihr plötzlich der Wunsch entstanden war, Katerina Iwanowna möchte sich von ihm abwenden und lieber »den liebenswürdigen, gebildeten Kavalier Iwan Fjodorowitsch heiraten, der so gute Manieren besitzt«. Sie haßte nämlich Mitjas Manieren. Er hatte sich sogar über sie lustig gemacht und einmal von ihr gesagt, diese Dame sei ebenso lebhaft und impulsiv wie ungebildet. Und da war ihm nun an diesem Vormittag auf dem Wagen wie eine Erleuchtung der klare Gedanke gekommen: ›Wenn sie gegen meine Heirat mit Katerina Iwanowna ist, und zwar mit solcher Entschiedenheit‹ – er wußte, daß sie dabei fast hysterische Anfälle bekam –, ›warum sollte sie mir diese dreitausend Rubel abschlagen, die ich eben gerade benötige, um Katja zu verlassen und für immer von hier wegzugehen? Wenn sich diese verwöhnten vornehmen Damen einen derartigen Wunsch einmal in den Kopf gesetzt haben, so scheuen sie kein Opfer, um ihren Willen durchzusetzen. Außerdem ist sie reich!‹ dachte Mitja.
Was nun speziell den »Plan« anlangte, so war er derselbe wie der frühere, das heißt, er bot die Abtretung seiner Rechte auf Tschermaschnja an. Doch diesmal wollte er das nicht als kaufmännisches Geschäft behandeln wie tags zuvor bei Samsonow, er wollte diese Dame nicht mit der Möglichkeit locken, für die dreitausend Rubel die doppelte Summe, sechs- oder siebentausend Rubel, einzustreichen; diese Abtretung sollte einfach eine anständige Garantie für die Schulden bilden. Mitja geriet geradezu in Begeisterung, während er diesen seinen neuen Gedanken ausspann, aber so erging es ihm immer, bei allen seinen Unternehmungen, bei allen seinen plötzlichen Entschlüssen. Jedem neuen Gedanken gab er sich mit größter Leidenschaft hin. Dennoch fühlte er, wie ihm ein Angstschauer über den Rücken lief, als er die Stufen zu Frau Chochlakowas Haustür hinaufstieg: Erst in dieser Sekunde wurde ihm mit mathematischer Sicherheit bewußt, daß dies seine letzte Hoffnung war und daß ihm, wenn auch dieser Versuch fehlschlug, nichts auf der Welt blieb, als »um der dreitausend Rubel willen jemand totzuschlagen und auszurauben, weiter nichts ...« Es war halb acht, als er klingelte.
Anfangs schien ihm das Glück zu lächeln. Als er gemeldet worden war, ließ ihn Frau Chochlakowa sofort bitten, näher zu treten. ›Als ob sie mich erwartet hat‹, dachte Mitja. Und kaum war er in den Salon geführt worden, eilte auch schon die Hausfrau herein und erklärte ihm ohne weitere Umschweife, daß sie ihn erwartet habe.
»Ich habe Sie erwartet, ich habe Sie erwartet! Eigentlich konnte ich ja nicht annehmen, daß Sie zu mir kommen würden, aber trotzdem habe ich Sie erwartet, bewundern Sie meinen Instinkt, Dmitri Fjodorowitsch, ich war den ganzen Vormittag überzeugt, daß Sie heute kommen würden.«
»Das ist wirklich erstaunlich, gnädige Frau«, antwortete Mitja, während er sich schwerfällig setzte. »Aber ... ich bin in einer überaus wichtigen Angelegenheit gekommen ... Das heißt in der allerallerwichtigsten Angelegenheit für mich, gnädige Frau, für mich allein ... Und ich beeile mich ...«
»Ich weiß, daß Sie in einer sehr wichtigen Angelegenheit gekommen sind, Dmitri Fjodorowitsch. Dabei handelt es sich nicht um irgendwelche Ahnungen oder um veralteten Wunderglauben – haben Sie von dem Starez Sossima gehört? –, sondern um mathematische Notwendigkeit. Sie mußten kommen nach allem, was sich mit Katerina Iwanowna zugetragen hat. Sie mußten, mußten mit mathematischer Notwendigkeit ...«
»Das ist die Realität des wirklichen Lebens, gnädige Frau, das ist es! Erlauben Sie, mir nun,
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