Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
Vom Netzwerk:
ferner ...«
    Nikolai Parfjonowitsch stellte alle Posten zusammen. Mitja half ihm bereitwillig. Keine Kopeke wurde vergessen, auch der kleinste Betrag in die Rechnung aufgenommen. Nikolai Parfjonowitsch rechnete rasch zusammen.
    »Mit diesen achthundert besaßen Sie also ursprünglich im ganzen etwa fünfzehnhundert Rubel?«
    »So wird es sein«, antwortete Mitja kurz.
    »Wie kommt es dann, daß alle behaupten, es sei weit mehr gewesen?«
    »Sollen sie es behaupten!«
    »Sie selbst haben es auch behauptet.«
    »Allerdings.«
    »Wir werden das alles noch durch weitere Zeugenaussagen nachprüfen. Wegen Ihres Geldes seien Sie ohne Sorge, es wird vorschriftsmäßig aufbewahrt und steht nach Beendigung des ganzen Verfahrens zu Ihrer Verfügung – sofern sich herausgestellt hat oder sozusagen bewiesen ist, daß Sie ein unbestreitbares Recht darauf haben. Jetzt aber ...«
    Nikolai Parfjonowitsch stand plötzlich auf und erklärte Mitja mit fester Stimme, er sei »genötigt und verpflichtet«, eine sehr eingehende, genaue Visitation »sowohl Ihrer Kleider als auch alles übrigen« vorzunehmen ...
    »Schön, meine Herren, ich werde alle Taschen umdrehen, wenn Sie wollen.«
    Und er machte sich wirklich daran, die Taschen umzudrehen.
    »Es ist unumgänglich, daß Sie auch die Kleider ablegen.«
    »Wie? Ich soll mich ausziehen? Pfui Teufel! Visitieren Sie mich doch so! Geht es nicht so?«
    »Keineswegs, Dmitri Fjodorowitsch. Sie müssen die Kleider ablegen.«
    »Wie Sie wollen«, antwortete Mitja und fügte sich mit finsterer Miene. »Nur bitte nicht hier, sondern hinter dem Vorhang. Wer wird die Visitation ausführen?«
    »Natürlich hinter dem Vorhang«, sagte Nikolai Parfjonowitsch und neigte zum Zeichen des Einverständnisses seinen Kopf; sein Gesicht drückte sogar eine besondere Würde aus.

6. Der Staatsanwalt fängt Mitja
    Es begann ein Vorgang, der für Mitja gänzlich unerwartet und erstaunlich war. Er hätte auch nur eine Minute vorher nicht geglaubt, daß jemand mit ihm, Mitja Karamasow, so umgehen könnte! Vor allem lag darin für ihn etwas Demütigendes, während auf ihrer Seite »ein gewisser Hochmut und eine Verachtung seiner Person« zutage trat. Es wäre noch zu ertragen gewesen; hätte er nur den Rock auszuziehen brauchen; aber man bat ihn, sich noch weiter zu entkleiden. Oder eigentlich bat man ihn gar nicht, sondern befahl es ihm geradezu, er merkte das sehr wohl. Aus Stolz und Verachtung fügte er sich, ohne ein Wort dagegen zu sagen. Hinter den Vorhang trat außer Nikolai Parfjonowitsch auch der Staatsanwalt; auch einige Bauern waren anwesend. ›Natürlich um mich notfalls zwingen zu können‹, dachte Mitja. ›Vielleicht auch zu irgendeinem anderen Zweck.‹
    »Wie ist es? Soll ich auch das Hemd ausziehen?« fragte er in scharfem Ton. Nikolai Parfjonowitsch gab jedoch keine Antwort; er hatte sich zusammen mit dem Staatsanwalt in Rock Hose, Weste und Mütze vertieft, und es war offenbar, daß sich beide sehr für die Visitation interessierten. ›Diese Menschen machen nicht die geringsten Umstände!‹ ging es Mitja durch den Kopf. ›Sie beachten nicht einmal die notwendigen Höflichkeitsregeln.‹
    »Ich frage Sie zum zweiten Male, ob ich auch das Hemd ausziehen soll«, sagte er noch schärfer und gereizter.
    »Seien Sie unbesorgt, wir werden es Ihnen schon sagen!« antwortete Nikolai Parfjonowitsch in dienstlichem Ton; zumindest schien es Mitja so.
    Unterdessen fand zwischen dem Untersuchungsrichter und dem Staatsanwalt halblaut eine eifrige Beratung statt. Am Rock, besonders am linken Schoß, hinten, zeigten sich gewaltige Blutflecke, die getrocknet, verhärtet und noch nicht wieder biegsam geworden waren. Dasselbe traf für die Hose zu, Nikolai Parfjonowitsch fuhr außerdem eigenhändig in Gegenwart der Zeugen mit den Fingern über den Kragen und die Aufschläge des Rockes sowie über alle Nähte des Rockes und der Hose; er schien etwas zu suchen, höchstwahrscheinlich Geld. Was das Schlimmste war: sie machten vor Mitja kein Hehl aus dem Verdacht, daß er fähig gewesen wäre, Geld in seine Kleider einzunähen! »Die behandeln mich ja geradezu wie einen Dieb und nicht wie einen Offizier!« murmelte er vor sich hin. Sie teilten sich gegenseitig ihre Gedanken vor seinen Ohren mit seltsamer Offenheit mit. So lenkte zum Beispiel der Protokollführer, der sich ebenfalls geschäftig machte und zuhörte, Nikolai Parfjonowitschs Aufmerksamkeit auf die Mütze, die dann ebenfalls befühlt wurde. »Denken Sie

Weitere Kostenlose Bücher