Die Brüder Karamasow
trotzdem habe ich nicht dreitausend durchgebracht, sondern nur fünfzehnhundert; die anderen fünfzehnhundert habe ich in ein Säckchen eingenäht. Sehen Sie, so war das, meine Herren. Nun wissen Sie, wo ich gestern das Geld herhatte ...«
»Das klingt geradezu phantastisch ...«, bemerkte Nikolai Parfjonowitsch.
»Gestatten Sie eine Frage«, sagte schließlich der Staatsanwalt. »Haben Sie nicht wenigstens irgendwem von diesem Umstand vorher Mitteilung gemacht ... Ich meine davon, daß Sie diese fünfzehnhundert Rubel vor einem Monat übrigbehalten hätten?«
»Nein, ich habe es niemandem gesagt.«
»Das ist sonderbar. Wirklich keinem einzigen Menschen?«
»Nein, keinem einzigen Menschen. Absolut niemandem.«
»Aber welchen Zweck sollte denn dieses Stillschweigen haben? Was veranlaßte Sie, daraus ein solches Geheimnis zu machen? Ich will mich deutlicher ausdrücken: Sie haben uns endlich Ihr Geheimnis enthüllt, das nach Ihrer Ansicht so schmählich ist, obgleich diese Tat, das heißt die zweifellos nur zeitweilige Aneignung der fremden dreitausend Rubel in Wirklichkeit, das heißt natürlich nur relativ gesprochen, wenigstens meiner Ansicht nach nur höchst leichtsinnig ist, aber nicht eigentlich schmählich, besonders wenn man Ihren Charakter in Betracht zieht ... Nun, allerdings, sie ist höchst tadelnswert, das gebe ich zu, aber doch nur tadelnswert, nicht eigentlich schmählich ... Ich möchte nämlich speziell auf folgendes hinweisen: Daß diese von Ihnen so verschwenderisch ausgegebenen dreitausend Rubel Fräulein Werchowzewas Eigentum waren, haben in diesem Monat auch ohne Ihr Geständnis schon viele Leute vermutet, ich selbst habe auch dieses Gerücht gehört ... Michail Makarowitsch zum Beispiel hat es ebenfalls gehört. So daß es schließlich kaum noch ein Gerücht, sondern allgemeines Stadtgespräch war. Außerdem sind Anzeichen vorhanden, daß
auch Sie selbst, wenn ich nicht irre, dies jemandem gestanden haben, nämlich daß dieses Geld Fräulein Werchowzewa gehörte. Und daher wundere ich mich, daß Sie bis zu diesem jetzigen Augenblick aus diesen angeblich beiseite gelegten fünfzehnhundert Rubeln so ein außerordentliches Geheimnis gemacht und ihm sogar einen schrecklichen Nimbus verliehen haben ... Es ist unwahrscheinlich, daß Ihnen das Eingestehen eines solchen Geheimnisses so viel Qual bereiten konnte – haben Sie doch eben erst ausgerufen, Sie wollten sich lieber zur Zwangsarbeit schicken lassen, als das zugeben!«
Der Staatsanwalt schwieg. Er war in Feuer geraten und verbarg nicht, daß er ärgerlich, beinahe wütend war; er sprudelte alles heraus, was sich in ihm angesammelt hatte, sogar ohne sich um den Stil zu kümmern, sondern unzusammenhängend und fast konfus.
»Die Schande bestand nicht in den fünfzehnhundert Rubeln, sondern darin, daß ich diese fünfzehnhundert von den dreitausend weggenommen hatte«, antwortete Mitja in festem Ton.
»Aber sagen Sie doch bloß«, entgegnete der Staatsanwalt und lächelte gereizt, »was ist daran eigentlich schmählich, daß Sie von den dreitausend Rubeln, die Sie sich in tadelnswerter oder, wenn Sie es selbst so wünschen, in schmählicher Weise angeeignet hatten, die Hälfte zwecks Verwendung nach eigenem Ermessen abgezweigt haben? Die Hauptsache ist doch, daß Sie sich die dreitausend angeeignet und nicht, wie Sie darüber verfügt haben. Apropos, warum verfügten Sie eigentlich so, das heißt, warum zweigten Sie die Hälfte ab? In welcher Absicht, zu welchem Zweck taten Sie das? Können Sie uns das erklären?«
»Oh, meine Herren, gerade in der Absicht liegt ja die Wurzel!« rief Mitja. »Ich zweigte die Hälfte aus Gemeinheit ab, das heißt aus Berechnung, denn Berechnung ist in diesem Fall eben Gemeinheit ... Und einen ganzen Monat dauerte sie, diese Gemeinheit!«
»Das ist unverständlich.«
»Ich wundere mich über Sie. Aber vielleicht drücke ich mich wirklich unverständlich aus? Passen Sie auf. Ich eigne mir dreitausend Rubel an, die mir im Vertrauen auf meine Ehrenhaftigkeit übergeben worden sind, verjuble sie völlig und gehe am Morgen zu ihr und sage: ›Katja, verzeih, ich habe deine dreitausend Rubel verjubelt!‹ Ist das schön? Nein, das ist nicht schön, das ist ehrlos und unwürdig, ich habe da gehandelt wie ein Mensch, der sich wie ein Tier nicht zu beherrschen weiß, nicht wahr? Aber trotzdem bin ich kein Dieb, nicht direkt ein Dieb, das werden Sie zugeben müssen! Ich habe das Geld verjubelt, aber nicht
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