Die Brüder Karamasow
ihr ein leichter Fieberschauer eingestellt, der Anfang einer langen Krankheit, die sie von dieser Nacht an durchmachte. Ihre strenge Miene, ihr offener, ernster Blick und ihr ruhiges Benehmen machten auf alle Anwesenden einen angenehmen Eindruck. Nikolai Parfjonowitsch war von ihr sogar auf Anhieb ein bißchen »enthusiasmiert«. Als er später von dieser Begegnung erzählte, gab er selber zu, er habe erst damals begriffen, daß dieses Weib »eine wirkliche Schönheit« sei; zwar habe er sie auch vorher des öfteren gesehen, doch habe er sie immer für eine Art »kleinstädtischer Hetäre« gehalten. »Sie hat Manieren wie eine Dame der höchsten Gesellschaft«, erklärte er entzückt in einem Kreis von Damen. Aber diese hörten das mit größter Entrüstung und nannten ihn dafür »Schwerenöter«, was er sich gern gefallen ließ. Als Gruschenka ins Zimmer trat, warf sie nur einen kurzen Blick auf Mitja, der sie seinerseits voller Unruhe ansah; ihre Miene beruhigte ihn jedoch im selben Augenblick. Nach den ersten notwendigen Fragen und Ermahnungen fragte Nikolai Parfjonowitsch etwas stockend, aber doch mit der höflichsten Miene, in welchen Beziehungen sie zu dem Leutnant außer Dienst Dmitri Fjodorowitsch Karamasow gestanden habe. Hierauf antwortete Gruschenka leise und fest: »Er war ein Bekannter von mir, und als Bekannten habe ich ihn im letzten Monat empfangen.«
Auf weitere neugierige Fragen erklärte sie offen, er habe ihr zwar zeitweilig gefallen, doch sie habe ihn nicht geliebt, sondern »aus schändlicher Bosheit« ihr Spiel mit ihm getrieben, genauso wie mit diesem alten Mann; sie habe gesehen, daß Mitja ihretwegen auf Fjodor Pawlowitsch und alle anderen Menschen sehr eifersüchtig war, habe sich aber darüber nur amüsiert. Zu Fjodor Pawlowitsch habe sie überhaupt niemals gehen wollen, sie habe sich über ihn nur lustig gemacht. »In diesem ganzen Monat stand mein Sinn gar nicht nach den beiden. Ich wartete auf einen anderen, der sich früher an mir vergangen hatte ... Aber ich glaube«, schloß sie, »daß Sie keinen Anlaß haben, danach zu fragen, und daß ich keinen Anlaß habe, Ihnen darüber Auskunft zu geben, da das meine reine Privatangelegenheit ist.«
So verfuhr Nikolai Parfjonowitsch denn auch unverzüglich; er hielt sich nicht weiter bei den »romantischen« Punkten auf, sondern ging sofort zu etwas Ernstem über, das heißt, er kam wieder auf die Hauptfrage nach den dreitausend Rubeln zurück. Gruschenka bestätigte, daß in Mokroje vor einem Monat tatsächlich dreitausend Rubel ausgegeben worden waren; zwar habe sie das Geld nicht gezählt, doch habe sie von Dmitri Fjodorowitsch selbst gehört, daß es dreitausend Rubel gewesen seien.
»Hat er Ihnen das unter vier Augen gesagt oder in Gegenwart eines anderen Menschen, oder haben Sie nur gehört, wie er in Ihrer Gegenwart mit anderen darüber sprach?« erkundigte sich der Staatsanwalt.
Auf diese Frage erklärte Gruschenka, sie habe es von ihm in Gegenwart anderer gehört, und sie habe gehört, wie er mit anderen darüber sprach, und sie habe es von ihm selbst unter vier Augen gehört.
»Haben Sie es nur ein einziges Mal von ihm unter vier Augen gehört oder mehrmals?« fragte der Staatsanwalt wieder und erfuhr, daß Gruschenka es mehrmals gehört habe.
Ippolit Kirillowitsch war mit dieser Aussage sehr zufrieden. Bei weiteren Fragen stellte sich heraus, daß Gruschenka auch wußte, woher dieses Geld stammte, nämlich daß Dmitri Fjodorowitsch es Katerina Iwanowna weggenommen hatte.
»Und haben Sie vielleicht wenigstens einmal gehört, daß vor einem Monat nicht dreitausend Rubel ausgegeben worden sind, sondern weniger, und daß Dmitri Fjodorowitsch die andere Hälfte für sich aufbewahrte?«
»Nein, das habe ich nie gehört«, erklärte Gruschenka.
Im Gegenteil stellte sich ferner sogar heraus, daß Mitja im Laufe dieses Monats häufig zu ihr gesagt hatte, er habe kein Geld, nicht eine Kopeke. »Er erwartete immer, von seinem Vater welches zu bekommen«, schloß Gruschenka.
»Aber hat er nicht irgendwann einmal in Ihrer Gegenwart gesagt, und sei es auch nur beiläufig oder in der Erregung«, mischte sich plötzlich Nikolai Parfjonowitsch ein, »daß er einen Anschlag auf das Leben seines Vaters plante?«
»O ja, das hat er gesagt«, erwiderte Gruschenka seufzend.
»Einmal oder mehrmals?«
»Er hat mehrmals davon gesprochen und immer im Zorn.«
»Und haben Sie geglaubt, daß er es auch ausführt?«
»Nein, das habe ich nie
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