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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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diese Beschuldigung jedoch stolz widerlegt, indem er darlegte, mit Gleichaltrigen, Dreizehnjährigen Pferdchen zu spielen, das wäre »in unserem Jahrhundert« allerdings wirklich eine Schande; er aber tue das für die »Knirpse«, weil er sie gern habe, und im übrigen habe niemand das Recht, ihn über seine Gefühle zur Rechenschaft zu ziehen! Dafür vergötterten ihn denn auch die beiden »Knirpse«. Diesmal stand sein Sinn nicht nach solchen Spielen. Er hatte eine sehr wichtige eigene Angelegenheit vor sich, an der sogar etwas Geheimnisvolles zu sein schien; inzwischen aber verstrich die Zeit, und Agafja, der er die Kinder hätte übergeben können, wollte noch immer nicht vom Markt zurückkehren. Er war schon mehrere Male über den Flur gegangen, hatte die Tür zur Wohnung der Arztfrau geöffnet und sorgenvoll nach den »Knirpsen« gesehen, die nach seiner Weisung über einem Buch saßen und ihn jedesmal, wenn er die Tür aufmachte, schweigend anlächelten, in der Erwartung, daß er nun hereinkäme und etwas Hübsches und Amüsantes mit ihnen unternähme. Doch Kolja war innerlich unruhig und ging nicht hinein. Da schlug es elf, und er beschloß fest und endgültig, das Haus zu verlassen, wenn die »verfluchte« Agafja nicht in zehn Minuten zurück sein würde, und nicht länger auf sie zu warten; selbstverständlich wollte er sich vorher von den »Knirpsen« versprechen lassen, daß sie in seiner Abwesenheit keine Dummheiten machen und nicht aus Angst weinen würden. Mit diesem Gedanken zog er seinen wattierten Winterüberzieher mit dem Kragen aus Seehundsfell an und hängte sich seine Büchertasche über die Schulter. Seine Mutter hatte ihn zwar früher oft gebeten, er möchte immer die Überschuhe anziehen, wenn er »bei solcher Kälte« von Hause wegging; doch als er durchs Vorzimmer kam, warf er nur einen verächtlichen Blick auf sie und ging in bloßen Stiefeln hinaus. Als Pereswon ihn ausgehbereit sah, begann er angestrengt mit dem Schwanz auf den Fußboden zu schlagen, zuckte nervös mit dem ganzen Körper und schickte sich sogar an, ein klägliches Geheul auszustoßen; aber Kolja war der Ansicht, daß ein sofortiges Nachgeben der Disziplin schaden würde, und ließ ihn wenigstens noch ein Weilchen unter der Bank liegen. Erst als er die Tür zum Flur öffnete, pfiff er ihm plötzlich. Der Hund sprang wie verrückt auf und sprang wild vor Freude umher. Kolja durchschritt den Flur und öffnete die Tür zu den »Knirpsen«. Beide saßen wie vorher an ihrem Tischchen; sie lasen jedoch nicht mehr, sondern stritten hitzig über irgend etwas. Sie stritten sich oft über verschiedene sich aufdrängende Lebensfragen, wobei Nastja als die ältere immer die Oberhand behielt; Kostja hingegen wandte sich, wenn er ihr nicht zustimmen mochte, fast immer hilfesuchend an Kolja, und wie dieser entschied, dabei blieb es dann auch: Das war für beide Teile ein unanfechtbarer Urteilsspruch. Diesmal erweckte der Streit der »Knirpse« bei Kolja ein gewisses Interesse, und er blieb in der Tür stehen, um zuzuhören.
    Als die Kinder sahen, daß er zuhörte, fuhren sie um so eifriger in ihrem Streitgespräch fort.
    »Niemals werde ich glauben«, sagte Nastja hitzig, »daß die Hebammen die kleinen Kinder in den Gemüsegärten auf den Kohlbeeten finden. Jetzt ist es Winter, und es gibt gar keine Kohlbeete, und die Hebamme konnte unserer Katerina das Töchterchen nicht von da bringen!«
    Kolja stieß einen Pfiff aus.
    »Oder es ist so. Sie holen die Kinder irgendwo, bringen sie aber nur zu solchen Frauen, die verheiratet sind.«
    Kostja blickte seine Schwester unverwandt an, hörte tiefsinnig zu und dachte nach.
    »Nastja, wie dumm du doch bist«, sagte er endlich ruhig und entschieden. »Dann könnte doch Katerina gar kein Kindchen haben. Sie ist ja nicht verheiratet.«
    Nastja geriet furchtbar in Eifer.
    »Du verstehst aber auch gar nichts«, fiel sie gereizt ein. »Vielleicht hat sie einen Mann gehabt, und er sitzt bloß im Gefängnis, und sie hat nun ein Kindchen bekommen.«
    »Hat sie wirklich einen Mann, der im Gefängnis sitzt?« erkundigte sich der gründliche Kostja mit wichtiger Miene.
    »Oder es ist so«, unterbrach ihn Nastja eifrig, wobei sie ihre erste Hypothese völlig fallenließ und vergaß. »Sie hat keinen Mann, darin hast du recht. Aber sie will heiraten, und da hat sie nun nachgedacht, wie sie das machen soll, und hat immer nachgedacht und nachgedacht, und so lange nachgedacht, daß sie nun keinen Mann, sondern

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