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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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Während des letzten Kunststückes öffnete sich die Tür, und Agafja, die dicke Dienerin von Frau Krassotkina, eine pockennarbige Frau von ungefähr vierzig Jahren, erschien auf der Schwelle; sie kehrte mit einem Beutel voll Lebensmittel vom Markt zurück. Sie blieb stehen und sah dem Hund zu, ohne den Beutel aus der Hand zu legen. So sehnsüchtig Kolja auch auf Agafja gewartet hatte – er brach die Vorstellung dennoch nicht ab; er ließ Pereswon sich noch eine bestimmte Zeitlang tot stellen und pfiff ihm dann endlich. Der Hund sprang auf und tollte vor Freude, daß er seine Pflicht erfüllt hatte, ausgelassen umher.
    »Nun sieh mal einer den Hund an!« sagte Agafja anerkennend.
    »Warum bist du denn so spät zurückgekommen, du Weibsbild?« fragte Krassotkin ärgerlich.
    »Weibsbild! Nun hör sich das einer an! Dieser Stift!«
    »Stift?«
    »Jawohl, Stift. Was geht es dich an, daß ich so spät zurückgekommen bin? Wenn ich erst so spät gekommen bin, wird es wohl nötig gewesen sein«, brummte Agafja und machte sich daran, den Ofen zu besorgen. Sie sagte das alles keineswegs unzufrieden oder ärgerlich, sondern vielmehr in sehr zufriedenem Ton, als ob sie sich über die Gelegenheit freute, sich mit dem lustigen jungen Herrn ein bißchen herumzubeißen.
    »Hör mal, du leichtfertiges altes Weib«, sagte Kolja und stand vom Sofa auf. »Kannst du mir bei allem, was dir auf dieser Welt heilig ist, und bei sonst noch etwas schwören, daß du in meiner Abwesenheit ständig auf die Knirpse aufpassen wirst? Ich will nämlich weggehen.«
    »Wozu soll ich dir das erst noch schwören?« erwiderte Agafja lachend. »Ich werde auch so auf sie aufpassen.«
    »Nein, du mußt mir bei deiner ewigen Seligkeit schwören. Sonst gehe ich nicht.«
    »Na, dann geh nicht! Was stört es mich? Draußen ist es kalt, bleib zu Hause!«
    »Ihr Knirpse«, wandte sich Kolja an die Kinder. »Diese Frau wird bei euch bleiben, bis ich wiederkomme oder bis eure Mama wiederkommt, denn auch die müßte eigentlich längst zurück sein. Sie wird euch ein Frühstück geben. Oder gibst du ihnen etwas, Agafja?«
    »Das kann ich schon machen.«
    »Auf Wiedersehen, ihr Kleinen! Nun kann ich beruhigt gehen ... Und du, Großmutter«, sagte er halblaut und würdevoll, als er an Agafja vorbeiging, »wirst ihnen hoffentlich nicht eure üblichen Weiberdummheiten über Katerina auftischen? Hab Respekt vor ihrem Alter! Ici, Pereswon!«
    »Mach, daß du 'rauskommst«, knurrte Agafja, die sich jetzt wirklich ärgerte. »Lächerlicher Patron! Müßtest selber die Rute bekommen für solche Reden!«
3. Schüler
    Doch Kolja hörte schon nicht mehr. Endlich konnte er gehen. Als er aus dem Tor trat, blickte er sich um, schüttelte die Schultern und sagte: »Kalt!« Dann ging er die Straße hinunter und danach rechts durch eine Seitengasse auf den Marktplatz zu. Am Torweg des letzten Hauses blieb er vor dem Platz stehen, zog eine kleine Pfeife aus der Tasche und pfiff darauf aus Leibeskräften, als gäbe er ein verabredetes Signal. Er brauchte nicht länger als eine Minute zu warten; dann kam plötzlich ein rotbackiger Junge herausgerannt. Er mochte etwa elf Jahre alt sein und trug ebenfalls einen warmen, sauberen und sogar eleganten kleinen Überzieher. Es war der kleine Smurow, der die Vorbereitungsklasse besuchte (während Kolja Krassotkin schon zwei Klassen höher saß), der Sohn eines wohlhabenden Beamten. Seine Eltern hatten ihm offenbar den Umgang mit Krassotkin verboten, da der allgemein als verwegener Unfugtreiber bekannt war; Smurow hatte daher das Haus offenbar heimlich verlassen. Dieser Smurow war, vielleicht erinnert sich der Leser, einer von den Jungen, die vor zwei Monaten mit Steinen nach Iljuscha geworfen hatten; er war es gewesen, der Aljoscha Karamasow damals etwas über Iljuscha erzählt hatte.
    »Ich warte schon eine ganze Stunde auf dich, Krassotkin«, sagte Smurow streng, dann gingen sie zum Marktplatz.
    »Ja, ich habe mich verspätet«, antwortete Krassotkin. »Aber das hat seine Gründe. Kriegst du nicht Prügel, wenn du mit mir gehst?«
    »Was redest du da? Als ob ich überhaupt Prügel bekomme! Du hast Pereswon bei dir?«
    »Ja.«
    »Willst du ihn auch mitnehmen?«
    »Ja.«
    »Ach, wenn es doch Shutschka wäre!«
    »Das ist unmöglich. Shutschka existiert nicht mehr, Shutschka ist verschwunden. Wo er geblieben ist, das ist ein dunkles Rätsel.«
    »Könnten wir es nicht so machen«, sagte Smurow und blieb plötzlich stehen. »Iljuscha sagt ja,

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