Burakkuboru: Die kleine süsse Überraschung (German Edition)
Von
der Zeit, als ich anfing, mein Leben zu vermissen.
Ein Kalender, ein Tagebuch, ein Heft mit beschriebenen und
leeren Blättern, ein halbes Dutzend verschiedenster Stifte, Radiergummi, Reste
von Radiergummi, die zu weit für einen Handgriff verstreut sind, Zigaretten und
Feuerzeug ganz nah zu meiner Linken, sowie ein voller Aschenbecher, ganz viele
Bücher ohne einen festen Platz mit einem ganz besonderen Buch, das mir die
tägliche Hoffnung bringt, das Buch, das den wöchentlichen Lottoschein in sich
verbirgt, mein über alles geliebter Computer. Das alles sind Gegenstände, die
meinen Schreibtisch ausfüllen.
Ich bin ein gewöhnlicher Bürger eines gewöhnlichen Landes
auf einem eigentlich recht ungewöhnlichen Planeten. Ich fülle täglich meinen
Bauch mit Sachen aus dem Kühlschrank, besuche daraufhin die Toilette, bescheiße
den Finanzamt wo es nur geht, baue hin und wieder Verkehrsunfälle, bedrohe
damit das leben der Beteiligten und zittere um mein Eigenes. Das einzige, was
mich eventuell von einem durchschnittlichen Bürger unterscheidet, ist meine
Arbeit.
Ich forsche schon fast mein halbes Leben lang am Gehirn,
und ich war fleißig. Ich weiß nicht, ob ich durch meine Forschung je einen
Menschen glücklicher gemacht habe, trotzdem bin ich stolz auf meinen Beitrag
zum besseren Verständnis der Behausung des Geistes. Doch auch wenn meine
Entdeckungen von Zeit zu Zeit nicht unbedeutend waren, gewann ich nie den
Nobelpreis, oder verdiente viel Geld. Aber, ob ihr es glaubt oder nicht, ich
bin kurz vor dem Durchbruch. Diesmal werde ich die Welt überraschen. Ich mache
die Menschheit sprachlos. Man wird mich lieben. Man wird mich einfach lieben
müssen.
Doch bevor ich euch mit meiner Lebensgeschichte zu Tode
langweile, erzähle ich euch lieber etwas wirklich Spannendes. Gleich nachdem
ich heute die Menschheit einen Schritt weiter gebracht habe und mein Büro
verließ ... oder andersherum ... beziehungsweise noch bevor ich das Büro
verließ, hatte ich das Gefühl bekommen, als ob die Welt sich um mich dreht...
Wie soll ich das am besten erklären? Wenn man gerade einen Orgasmus bekam oder
eine neue Droge ausprobiert hat, wird man in einen Zustand versetzt, bei dem
man die Welt neu zu entdecken scheint. Die Farben sind anders, die Geräusche
verstummen und werden lauter, jede Gebäudeecke wirkt dreidimensionaler, als je
zuvor, man scheint jedes Molekül des Wandputzes zu spüren, man nimmt Gerüche
wahr, über deren Existenz man nie nachgedacht hatte. Doch jedes Mal, wenn mir
ein Gegenstand seltsam vorkam, musste ich es nur zehn Sekunden lang betrachten,
um zu wissen, dass dieser Gegenstand nie anders gewesen ist, als so, wie ich es
vor mir hatte. Der Himmel schien blauer zu sein nur solange, bis ich mich an
die Farbe wieder gewöhnt habe, und an jedem Zweifel zweifelte. Das merkwürdige
an den Menschen war die Tatsache, dass ich nicht wüsste, was sie von den
Menschen der letzten Woche unterschied. Schlimmer noch, ich könnte schwören,
dass es genau dieselben Menschen waren. Die Autos bewegten sich scheinbar ohne
Ziel. Ich weiß nicht warum, doch gerade die Autos machten mich besonders
misstrauisch. Ich beobachtete sie einige Minuten lang. Ich verfolgte ihre
Fahrtrichtung, schaute mir ihre Nummernschilder an, betrachtete die Reflexion
der Häuser in den Scheiben. Vor allem die einparkenden Autos faszinierten mich
geradezu… Zum Glück wurde ich Zeuge eines Unfalls mit geringem Schaden. Wie
aufgeweckt... Die beiden Autofahrer stiegen aus ihren Vehikeln und gingen
prügelnd aufeinander los. Wie aus einer Trance erwacht... Ich erkannte
plötzlich wie albern meine ganze Verwunderung über die Welt war. Ich einigte
mich darauf, dass es eine Nachwirkung meines heutigen Experiments war und ging
beruhigt nach Hause. Schließlich habe ich heute nichts weniger, als mein Gehirn
gescannt.
Doch das war nur der Anfang.
Ein Mann rief mich an, zwei Minuten nachdem ich meine
Wohnung betrat.
Er müsse mich sprechen, meinte er. Seltsam war schon die
Tatsache, dass ich um diese Zeit nie Zuhause bin, doch er wäre darüber bestens
informiert, genauso wie darüber, was ich gerade machte und was ich heute
gemacht habe. Das klang beängstigend, ja sogar leicht bedrohlich. Als ich
allerdings meinte, ich hätte keine Zeit, musste er herzlich lachen, wonach er
mir versicherte, dass ich ab jetzt mehr Zeit hätte, als ich mir vorstellen
kann. Während ich langsam neugierig wurde, verkündete
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