Die Brüder Karamasow
wohl!«
»Ach, du Taugenichts! So ein Dreikäsehoch, und schon so unverschämt!«
»Ich habe keine Zeit für dich. Nächsten Sonntag kannst du es mir erzählen«, sagte Kolja und winkte ab, als ob sie mit ihm angebunden hätte und nicht er mit ihr.
»Was soll ich dir denn Sonntag erzählen? Du hast selber angefangen, nicht ich, du Rotznase!« kreischte Marja. »Durchprügeln müßte man dich, daß du es weißt! Ein stadtbekannter Frechdachs bist du, daß du es weißt!«
Die anderen Händlerinnen, die mit ihren Waren neben Marja saßen, fingen an zu lachen. Doch plötzlich stürzte aus dem Bogengang, an dem die Läden lagen, ein aufgeregter Mensch mit einem langschößigen, blauen Kaftan und Schirmmütze, jung, mit blondem, lockigem Haar und einem langen, blassen, pockennarbigen Gesicht, wohl eine Art Ladendiener, aber kein einheimischer, sondern einer von auswärts. Er schien ebenso dumm wie aufgeregt zu sein und drohte Kolja sofort mit der Faust.
»Ich kenne dich!« schrie er wütend. »Ich kenne dich!«
Kolja musterte ihn. Er konnte sich nicht erinnern, wann er mit diesem Menschen Streit gehabt haben sollte. Er hatte freilich unzählige Streitereien auf der Straße gehabt; die alle im Gedächtnis zu behalten war unmöglich.
»Du kennst mich?« fragte er ihn ironisch.
»Ja, ich kenne dich! Ich kenne dich!« wiederholte der Ladendiener wie ein Verrückter.
»Na, dann kannst du dich freuen. Aber ich habe keine Zeit, lebe wohl!«
»Was treibst du für Unfug?« rief der Ladendiener. »Willst du wieder Unfug treiben? Ich kenne dich! Willst du wieder Unfug treiben?«
»Das geht dich gar nichts an, lieber Freund, ob ich Unfug treibe«, erwiderte Kolja, blieb stehen und musterte ihn wieder.
»Wieso soll mich das nichts angehen?«
»Ganz einfach, es geht dich nichts an.«
»Aber wen geht es denn an? Wen geht es an? Na, wen geht es an?«
»Das geht Trifon Nikititsch etwas an, aber nicht dich.«
»Was für einen Trifon Nikititsch?« fragte der Bursche und glotzte Kolja mit dummer Verwunderung und immer noch wütend an. Kolja maß ihn mit seinem würdevollen Blick.
»Bist du zur Himmelfahrt gegangen?« fragte er ihn auf einmal in strengem, nachdrücklichem Ton.
»Zu was für einer Himmelfahrt? Warum? Nein, dahin bin ich nicht gegangen«, erwiderte der Bursche etwas verdutzt.
»Kennst du Trifon Nikititsch Sabanejew?« fuhr Kolja noch nachdrücklicher und strenger fort.
»Was für einen Sabanejew? Nein, den kenne ich nicht.«
»Na, dann hol' dich der Teufel!« schnitt Kolja das Gespräch ab, drehte sich kurz um und ging davon, als wäre es unter seiner Würde, mit so einem Tölpel, der nicht einmal Sabanejew kannte, auch nur zu reden.
»Halt mal, he! Was für einen Sabanejew?« rief der Bursche, als ob er zu sich käme; er war wieder ganz aufgeregt. »Wen hat er eigentlich gemeint?« wandte er sich an die Händlerinnen und sah sie dumm an.
Die Weiber lachten.
»Ein pfiffiger Patron!« sagte eine.
»Von was für einem Sabanejew hat er denn bloß gesprochen?« wiederholte der Bursche; er war immer noch wütend und fuchtelte mit dem rechten Arm.
»Das ist sicher der Sabanejew, der bei Kusmitschews im Dienst stand, der muß wohl gemeint sein«, vermutete eine Frau.
Der Bursche sah sie verblüfft an.
»Bei Kus-mi-tschews?« mischte sich eine andere Frau ein. »Was soll da für ein Trifon gewesen sein? Der da im Dienst stand, hieß Kusma und nicht Trifon, und der Bengel redete von einem Trifon Nikititsch. Also ist der nicht gemeint.«
»Nun seht mal an, der hieß nicht Trifon und nicht Sabanejew; der hieß Tschishow«, fiel auf einmal eine dritte Frau ein, die bisher geschwiegen und mit ernster Miene zugehört hatte. »Der hieß Alexej Iwanowitsch, mit seinem vollen Namen Alexej Iwanowitsch Tschishow.«
»Das ist richtig, er hieß Tschishow«, bestätigte eine vierte energisch.
Der verdutzte Bursche blickte von einer zur anderen.
»Aber warum hat er denn gefragt, liebe Leute: ›Kennst du Sabanejew?‹?« rief er beinahe schon verzweifelt. »Weiß der Teufel, was das für ein Sabanejew ist!«
»Du bist ein Dummkopf! Du hörst, daß es nicht Sabanejew ist, sondern Tschishow. Alexej Iwanowitsch Tschishow, nun weißt du es!« schrie ihm eine Händlerin belehrend zu.
»Was denn für ein Tschishow? Na, was für einer? Sprich, wenn du es weißt!«
»So ein langer, rotznasiger Bursche. Er hat im Sommer hier auf dem Markt gesessen.«
»Was geht mich euer Tschishow an, ihr lieben Leute?«
»Woher soll ich
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