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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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denken, daß er ganz voll Blut war und ihn das sofort verraten mußte? Doch der Angeklagte versichert uns selbst, er habe gar nicht darauf geachtet, daß er voll Blut war. Das kann man ihm glauben, das ist sehr wohl möglich, das ist in solchen Momenten bei Verbrechern oft der Fall. Einerseits sind sie fähig zu einer teuflisch schlauen Berechnung, andererseits jedoch reicht ihre Denkkraft nicht aus. Aber er dachte in diesem Augenblick nur daran, wo sie war. Er wollte so schnell wie möglich erfahren, wo sie war, und so eilte er in ihre Wohnung und hörte die unerwartete, schreckliche Nachricht, daß sie mit ihrem ›Früheren‹ nach Mokroje gefahren sei.«

9. Psychologie auf Hochtouren. Die dahinjagende Troika. Schluß der Rede des Staatsanwalts
    Als Ippolit Kirillowitsch bis zu diesem Punkt seiner Rede gelangt war (er hatte offenbar eine streng historische Methode der Darstellung gewählt, eine Methode, zu welcher alle nervösen Redner mit besonderer Vorliebe Zuflucht nehmen, indem sie absichtlich einen strengen Rahmen suchen, um ihren eigenen ungeduldigen Eifer zu hemmen), da verbreitete er sich besonders über den ›Früheren‹ und trug zu diesem Thema einige in ihrer Art interessante Gedanken vor. Karamasow, bisher auf alle eifersüchtig bis zur Raserei, falle auf einmal gleichsam zusammen und verschwinde vor dem ›Früheren‹. Und dies sei um so seltsamer, da er früher diese neue Gefahr in der Person des unerwarteten Nebenbuhlers fast gar nicht beachtet habe. Aber er habe wohl immer die Vorstellung gehabt, das sei noch in weiter Ferne; ein Karamasow lebe jedoch immer nur im gegenwärtigen Augenblick. Wahrscheinlich habe er den anderen sogar für eine Fiktion gehalten. Doch nachdem er dann urplötzlich begriffen habe, daß diese Frau ihm den neuen Nebenbuhler vielleicht gerade darum verheimlichte, weil er für sie ganz und gar keine Phantasie und Fiktion, sondern ihre ganze Lebenshoffnung bildete – nachdem er das begriffen habe, habe er sich dreingefunden. »Nun, meine Herren Geschworenen, ich kann diesen in der Seele des Angeklagten plötzlich hervorgetretenen Zug nicht mit Stillschweigen übergehen. Es könnte scheinen, der Angeklagte sei zu einem solchen Verhalten schlechterdings nicht fähig gewesen; aber es zeigte sich bei ihm auf einmal ein unwiderstehliches Bedürfnis nach Gerechtigkeit, ein Drang, dieses weibliche Wesen zu achten, die Rechte ihres Herzens zu respektieren, und zwar gerade in dem Augenblick, als er sich um ihretwillen die Hände mit dem Blut seines Vaters befleckt hatte! Allerdings schrie auch das vergossene Blut schon zu diesem Zeitpunkt nach Rache; denn nachdem er seine Seele und sein ganzes irdisches Schicksal zerstört hatte, mußte er das in jenem Augenblick unwillkürlich fühlen und sich fragen, was er jetzt noch für sie bedeuten konnte, für dieses Wesen, das er mehr als seine Seele liebte – er neben diesem ›Früheren‹, der reuig zu der einst von ihm zugrunde gerichteten Frau mit neuer Liebe, mit ehrenhaften Anträgen und mit dem Gelöbnis eines neuen, glücklichen Lebens zurückkehrte. Was konnte er, der Unglückliche, ihr jetzt geben, was konnte er ihr bieten? Karamasow begriff das alles; er begriff, daß ihm sein Verbrechen alle Wege verschloß, daß er nur ein zum Tod verurteilter Verbrecher war – kein Mensch, dem weiterzuleben vergönnt war! Dieser Gedanke drückte ihn nieder und vernichtete ihn. Und so faßte er augenblicklich einen verzweifelten Plan, der ihm bei seinem Charakter als der einzige, vom Schicksal gewiesene Ausweg aus seiner furchtbaren Lage erscheinen mußte. Dieser Ausweg war der Selbstmord. Er läuft seine Pistole holen, die er bei dem Beamten Perchotin versetzt hat; er nimmt unterwegs im Laufen aus der Tasche das Geld, um dessentwillen er soeben seine Hände mit dem Blut seines Vaters befleckt hat. Oh, Geld braucht er jetzt ganz besonders nötig: Karamasow wird sterben, Karamasow wird sich erschießen – doch an die Art, wie er das getan hat, wird man lange denken! Nicht umsonst sind wir ein Dichter, nicht umsonst haben wir unser Leben aufgebraucht wie eine an beiden Enden angezündete Kerze. ›Zu ihr, zu ihr! Dort werde ich ein Gelage für die ganze Welt veranstalten, ein Gelage, wie es noch nicht dagewesen ist, damit die Menschen sich lange daran erinnern und davon erzählen. Inmitten des Geschreis, der wilden Lieder und Tänze der Zigeuner werde ich den Becher erheben, der vergötterten Frau zu ihrem neuen Glück gratulieren und mir

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