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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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Meine Herren, Sie lachen? Ich schäme mich selbst, solche Vermutungen aufzustellen; doch ist es gerade dies, was der Angeklagte behauptet: ›Nach mir‹, sagt er, ›als ich Grigori niedergeschlagen und Alarm verursacht und das Grundstück verlassen hatte, ist er aufgestanden und hingegangen und hat den Mord und den Raub verübt!‹ Ich will nicht einmal davon reden, wie Smerdjakow das alles hätte vorherwissen und gleichsam alles im voraus an den Fingern berechnen sollen: daß nämlich der gereizte, unberechenbare Sohn einzig und allein zu dem Zweck kommen würde, um respektvoll durchs Fenster zu sehen, sich trotz der Kenntnis der Signale zurückzuziehen und ihm, Smerdjakow, seine Beute zu überlassen! Meine Herren, ich stelle allen Ernstes die Frage: Wo ist der Augenblick, da Smerdjakow sein Verbrechen begangen hat? Zeigen Sie mir diesen Augenblick; ohne dies fällt die Beschuldigung in sich zusammen. Doch vielleicht war der epileptische Anfall echt? Der Kranke kam plötzlich zu sich, hörte einen Schrei, ging hinaus – nun, und was weiter? Er sah sich um und sagte sich: ›So, jetzt werde ich hingehen und den Herrn totschlagen!‹ Aber woher wußte er, was sich da ereignet hatte, er hatte ja bis dahin bewußtlos dagelegen? Indessen, meine Herren, auch das Phantasieren hat seine Grenze. ›Gut‹, werden scharfsinnige Leute sagen, ›aber wenn sie nun beide zusammen den Mord begingen und das Geld teilten? Was dann?‹ Ja, das ist tatsächlich ein schwerwiegender Verdacht – uns fallen sofort bedeutsame Indizien auf, die ihn bestätigen: Der eine mordet und nimmt alle Mühen auf sich, der andere Helfershelfer aber liegt ruhig im Bett und heuchelt einen epileptischen Anfall, um im voraus bei allen Verdacht zu erwecken und den Herrn und Grigori in Unruhe zu versetzen. Es wäre interessant zu erfahren, aus welchen Motiven sich die beiden so einen verrückten Plan hätten ausdenken können. Doch vielleicht gab es überhaupt keine aktive Beteiligung von seiten Smerdjakows, sondern sozusagen eine passive? Vielleicht hatte der eingeschüchterte Smerdjakow nur eingewilligt, sich dem Mord nicht zu widersetzen, und sich in der Voraussicht, daß man ihn beschuldigen würde, die Ermordung des Herrn zugelassen und sich nicht widersetzt zu haben, von Dmitri Karamasow die Erlaubnis ausbedungen, zu der betreffenden Zeit anscheinend in einem epileptischen Anfall dazuliegen: ›Morde du dann nach Belieben – was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß!‹ Aber selbst wenn es sich so verhielte, hätte Dmitri Karamasow auf keinen Fall auf eine solche Bedingung eingehen können, da dieser epileptische Anfall im Hause Unruhe hervorrufen mußte. Ich will jedoch einräumen: Mag er darauf eingegangen sein; dann wäre es allerdings darauf hinausgelaufen, daß Dmitri Karamasow der Mörder und Anstifter war, Smerdjakow dagegen nur ein passiver Teilnehmer, ja eigentlich nicht einmal ein Teilnehmer: Seine Schuld bestände nur darin, aus Furcht und wider seinen Willen das Verbrechen zugelassen zu haben – das Gericht hätte das sicherlich unterscheiden können. Aber was sehen wir? Kaum ist der Angeklagte verhaftet, als er sofort alles auf Smerdjakow abwälzt und diesen allein beschuldigt. Er beschuldigt ihn nicht, gemeinsam mit ihm das Verbrechen begangen zu haben, sondern allein. ›Allein‹, sagt er, ›hat er es getan! Er hat den Mord und den Raub begangen, das ist sein Werk!‹ Nun, was sind das für Spießgesellen, die sich sofort gegenseitig beschuldigen, das gibt es doch gar nicht! Und beachten Sie noch dies: Was wäre das für ein Risiko für Karamasow gewesen! Er wäre der Hauptmörder gewesen, während der andere die Tat nur zugelassen und hinter dem Bretterverschlag gelegen hätte; und dennoch würde er die Schuld auf den anderen schieben. Da könnte doch derjenige, der nur dagelegen hat, ärgerlich werden und nur um der Selbsterhaltung willen schleunigst die reine Wahrheit sagen: ›Wir haben es beide gemeinsam getan! Nur habe ich nicht gemordet, sondern lediglich aus Furcht die Tat geduldet und zugelassen!‹ Smerdjakow hätte ja begreifen können, daß das Gericht sofort den Gradunterschied der Schuld erkennen würde, und hätte darauf rechnen können, daß seine Strafe unvergleichlich viel milder ausfallen würde als die des Hauptmörders, der alles auf ihn abzuwälzen suchte. Also hätte er unwillkürlich ein Geständnis abgelegt. Wir haben aber nicht erlebt, daß das geschehen wäre. Smerdjakow hat kein Wort von einer

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