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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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aussprechen. Es ist eine Schwäche von mir, sofort zur Sache zu kommen, ohne mir die Effekte aufzusparen und ohne mit den beabsichtigten Eindrücken ökonomisch zu verfahren. Damit erweise ich mich vielleicht als schlechter Redner, dafür jedoch als offenherziger Mensch ... Mein Gedanke ist, in knapper Form, folgender: Es besteht ein erdrückendes Zusammentreffen von Tatsachen zuungunsten des Angeklagten – und gleichzeitig existiert keine einzige Tatsache, die einer Kritik standhält, wenn man sie allein für sich betrachtet! Während ich die Sache an Hand von Gerüchten und Zeitungsberichten weiterverfolgte, wurde ich in meiner Ansicht mehr und mehr bestärkt, und dann auf einmal wurde ich von den Angehörigen des Angeklagten gebeten, ihn zu verteidigen. Ich eilte sogleich hierher, und hier wurde meine Überzeugung endgültig. Und um dieses furchtbare Zusammentreffen von Tatsachen zu entkräften und den Nachweis zu liefern, daß jede scheinbar belastende Tatsache – einzeln genommen – unbewiesen und phantastisch ist, deshalb habe ich die Verteidigung in diesem Prozeß übernommen.«
    So begann der Verteidiger und rief dann plötzlich aus:
    »Meine Herren Geschworenen, ich bin hier ein Fremder. Alle Eindrücke habe ich ohne Voreingenommenheit in mich aufgenommen. Der Angeklagte, ein Mensch, von ungestümem, zügellosem Charakter, hat mich vorher nicht beleidigt, wie er vielleicht Dutzende von Personen in dieser Stadt beleidigt hat, weswegen auch viele im voraus gegen ihn eingenommen sein mögen. Allerdings muß auch ich zugeben, daß sich das sittliche Empfinden der hiesigen Gesellschaft zu Recht empört hat. Der Angeklagte ist wirklich ungestüm und zügellos. Dennoch hat er in der hiesigen Gesellschaft Aufnahme gefunden; selbst in der Familie des hochbegabten Anklägers war er ein willkommener Gast ...« Bei diesen Worten hörte man zwei oder drei der Anwesenden lachen; sie unterdrückten ihr Lachen zwar schnell, aber es war von allen bemerkt worden. Jedermann bei uns wußte, daß der Staatsanwalt Mitjas Besuche in seinem Haus nur ungern gestattet hatte, einzig und allein, weil ihn die Frau Staatsanwalt interessant fand, eine tugendhafte, ehrenwerte Dame, die jedoch über ziemlich viel Phantasie und Eigensinn verfügte und manchmal, besonders bei Kleinigkeiten, gern gegen ihren Mann opponierte. Im übrigen hatte Mitja das Haus dieses Ehepaares nur recht selten besucht. »Dennoch wage ich die Vermutung«, fuhr der Verteidiger fort, »daß sich sogar bei einem Mann von so selbständig denkendem Verstand und so gerechtem Charakter, wie mein Opponent es ist, eine gewisse irrige Voreingenommenheit gegenüber meinem Klienten herausbilden konnte. Oh, das ist durchaus natürlich: Der Unglückliche hat es nur zu sehr verdient, daß man ihm mit Voreingenommenheit entgegentritt. Das beleidigte sittliche Gefühl ist bisweilen unerbittlich, und in noch höherem Maß gilt das für das beleidigte ästhetische Gefühl. Zwar haben wir alle in der von hohem Talent zeugenden Anklagerede eine strenge Analyse des Charakters und der Handlungen des Angeklagten gehört, ein streng kritisches Verhältnis zur Sache beobachten können, und um uns über den Kern der Sache aufzuklären, stieg die Untersuchung in solche psychologischen Tiefen hinab, daß das Eindringen in diese Tiefen bei absichtlicher und böswilliger Voreingenommenheit gegen die Person des Angeklagten unmöglich gewesen wäre. Aber es gibt ja Dinge, die in solchen Fällen noch schlimmer und verderblicher sind als die böswilligste, vorurteilsvollste Stellungnahme zur Sache. So zum Beispiel, wenn wir künstlerische Neigungen besitzen, wenn wir das Bedürfnis fühlen, etwas Künstlerisches zu schaffen, sozusagen einen Roman zu verfassen, besonders wenn uns Gott mit reichen psychologischen Gaben ausgestattet hat. Schon in Petersburg, schon als ich mich anschickte, hierherzufahren, machte man mich darauf aufmerksam – und ich wußte es auch selbst, ohne jeden Hinweis von anderer Seite –, daß ich hier als Opponenten einen tiefen, überaus feinen Psychologen vorfinden würde, der sich durch diese seine Eigenschaft schon längst eine gewisse Berühmtheit in unserer noch jungen juristischen Welt erworben hat. Aber, meine Herren, die Psychologie ist zwar eine tiefsinnige Sache, gleicht jedoch einem Stab mit zwei Enden.« Lachen im Publikum. »Oh, Sie werden mir gewiß meinen trivialen Vergleich verzeihen, ich beherrsche nicht die Kunst der schönen Rede. Hier ein Beispiel,

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