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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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Besonderes, Schreckliches geschehen würde, falls sie nicht käme. Aljoscha verstand seine Gefühle.
    »Trifon Borissowitsch«, begann Mitja hastig, »hat sein ganzes Gasthaus ruiniert, heißt es. Dielen und Bretter soll er herausgerissen und die ganze Galerie in kleine Späne zerschlagen haben. Er sucht immerzu nach einem Schatz, nach dem Geld, den fünfzehnhundert Rubeln, von denen der Staatsanwalt sagte, ich hätte sie dort versteckt. Sowie er nach Hause gekommen ist, soll er gleich damit begonnen haben. Das geschieht dem Gauner ganz recht! Der Wächter hat es mir gestern erzählt, er stammt von dort.«
    »Hör mal«, sagte Aljoscha, »sie wird kommen! Aber ich weiß nicht wann. Vielleicht heute, vielleicht in den nächsten Tagen, das weiß ich nicht. Aber sie wird kommen, das ist sicher.«
    Mitja fuhr zusammen; er schien etwas sagen zu wollen, schwieg jedoch. Diese Nachricht hatte auf ihn eine furchtbare Wirkung. Es war ihm anzusehen, daß er dringend Näheres über Aljoschas Gespräch mit Katja zu erfahren wünschte, daß er sich gleichzeitig aber fürchtete, sofort danach zu fragen: Von irgendeiner hartherzigen oder verächtlichen Äußerung Katjas zu hören, das wäre für ihn in diesem Augenblick wie ein Messerstich gewesen.
    »Unter anderem sagte sie, ich soll dein Gewissen wegen der Flucht beruhigen. Sollte Iwan bis zu der Zeit nicht wieder gesund sein, wird sie die Sache selber in die Hand nehmen.«
    »Das hast du mir schon gesagt«, bemerkte Mitja nachdenklich.
    »Und du hast es sicher Gruscha wiedererzählt«, erwiderte Aljoscha.
    »Ja«, gestand Mitja. »Sie wird heute vormittag nicht kommen«, fuhr er fort, seinen Bruder schüchtern anblickend. »Sie wird erst am Abend kommen. Als ich ihr gestern sagte, Katja würde sich der Sache annehmen, da schwieg sie und zog ihre Lippen schief. Sie flüsterte nur: ›Meinetwegen!‹ Sie begriff, daß es wichtig ist. Ich wagte nicht, weiter nach ihren Gefühlen zu forschen. Sie scheint ja jetzt einzusehen, daß jene nicht mich, sondern Iwan liebt.«
    »Wirklich?« rief Aljoscha unwillkürlich.
    »Vielleicht auch nicht. Jedenfalls wird sie jetzt am Vormittag nicht herkommen«, beeilte sich Mitja noch einmal mitzuteilen. »Ich habe ihr einen Auftrag gegeben ... Hör mal, Bruder, Iwan ist uns allen überlegen. Ihm ist beschieden zu leben, uns nicht. Er wird wieder gesund.«
    »Stell dir vor, Katja zittert zwar um ihn, zweifelt aber eigentlich gar nicht daran, daß er wieder gesund wird«, sagte Aljoscha.
    »Das heißt, sie ist davon überzeugt, daß er stirbt. Nur aus Angst versucht sie sich einzureden, daß er gesund wird.«
    »Der Bruder hat eine kräftige Konstitution. Auch ich hoffe ganz bestimmt, daß er wieder gesund wird«, bemerkte Aljoscha beunruhigt.
    »Ja, er wird wieder gesund. Aber Katja glaubt, daß er stirbt. Sie hat viel Kummer ...«
    Es trat Stillschweigen ein. Mitja quälte sich mit etwas sehr Wichtigem.
    »Aljoscha, ich liebe Gruscha furchtbar«, sagte er auf einmal mit zitternder Stimme, der die verhaltenen Tränen anzuhören waren.
    »Man wird sie nicht zu dir lassen, ›dorthin‹«, fiel Aljoscha sogleich ein.
    »Und da ist noch etwas, was ich dir sagen wollte«, fuhr Mitja fort, und seine Stimme klang auf einmal wieder kräftig. »Wenn mich jemand unterwegs oder dort schlagen sollte, werde ich mir das nicht gefallen lassen, sondern ihn totschlagen, und man wird mich erschießen. Und das zwanzig Jahre lang! Hier fängt man schon an, mich zu duzen. Die Wächter duzen mich. Ich habe heute die ganze Nacht wach gelegen und mich geprüft: Ich bin nicht bereit! Ich bin nicht imstande, es auf mich zu nehmen! Ich wollte eine Hymne anstimmen ... Aber von den Wächtern geduzt zu werden, darüber komme ich nicht hinweg. Für Gruscha würde ich alles ertragen, alles ... Nur keine Schläge ... Aber man wird sie ›dorthin‹ nicht lassen.« Aljoscha lächelte leise.
    »Hör zu, Bruder, ein für allemal«, sagte er. »Ich will dir meine Gedanken über dieses Thema sagen. Und du weißt, daß ich dich nicht belüge. Also hör zu. Du bist nicht bereit, und ein solches Kreuz taugt nicht für dich. Ja noch mehr, ein solches Märtyrerkreuz ist für dich, der du nicht dazu bereit bist, auch gar nicht nötig. Wenn du den Vater getötet hättest, würde ich es bedauern, daß du dein Kreuz ablehnst. Aber du bist unschuldig, und ein solches Kreuz ist zuviel für dich. Du wolltest durch die Qual einen anderen Menschen in dir entstehen lassen. Meiner Ansicht nach solltest

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