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Ueber die Wupper

Ueber die Wupper

Titel: Ueber die Wupper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Noske
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1
    Dienstag, 30.
August
    Zitternd krochen die
Wischerblätter über die geteilte Frontscheibe des 57er
Opel Blitz, als sei ein Duo arbeitsscheuer neunzigjähriger
Fensterputzer am Werk. Der vom Regen angeweichte Schmutz
verschmierte. Mit Tempo vierzig nahm der ausrangierte Krankenwagen
die Steigung der B51 nach Strasserhof.
    Durch das
Seitenfenster kontrollierte Curd den Abstand zum
Mittelstreifen.
    »Am Berg schluckt
die Karre 25 Liter«, sagte er und schaltete derart energisch
zurück, daß sein satter Bizeps den Ärmel des
T-Shirts zu sprengen drohte.
    »Nochmal bunkern
ist aber nicht«, sagte Chico, der auf dem Beifahrersitz
lümmelte, die Stiefel gegen das Armaturenbrett gestemmt.
»Unsere letzte Kohle ist im Tank.«
    »Bis
Wermelskirchen reicht's.« Curd deutete mit dem Kopf über
die Schulter. »Was hat er?«
    Chico warf einen Blick
nach hinten, wo Max zwischen der verzurrten Anlage lag und zur
Decke starrte. Regungslos wie ein geduldiger Patient, der bei der
Außerdienststellung des Wagens vergessen worden
war.
    »Irmgard ist
weg«, sagte Chico, tauchte nach vorn und begann, an den
blanken Drähten des Cassettenrecorders zu fummeln. In den
Lautsprecherboxen am Himmel der Fahrerkabine krachte es.
    »Echt?«
    »Nach Sri
Lanka«, sagte Chico. »Mit diesem schwäbischen
Quarkgesicht.«
    Curds Gesichtsausdruck
zeigte einen zarten Anflug von Ekel. »Sag bloß, dieser -
wie hieß er noch - aus Böblingen?«
    »Mathias!«
Ärgerlich zerrte Chico an den Strippen. Das Pfeifen über
ihren Köpfen signalisierte Stukas über Blecher.
»Scheißding! Bringt ihr Bodysurfen bei. Zu Wasser und zu
Lande.«
    »Laß
doch.« Curd warf einen mißtrauischen Blick auf den
Zappler an seiner Seite. »Eigentlich kann er doch froh sein,
daß sie weg ist. Ich hab sowieso nie begriffen, was er an der
findet.«
    Chico hielt inne und
starrte verständnislos hoch. »Mensch, hast du ihr nie in
den Ausschnitt geguckt?«
    Curd räkelte
sich. »Doch, aber abgesehen davon hat sie nur
genervt.«
    »Ist reine
Gewohnheit«, sagte Chico und wandte sich wieder dem
Drahtgewirr zu. »Wie
alles.«      
 
… where will it
end,
where will it end…
    Der Recorder griff,
und melancholische Klangfetzen pulsten durch die Membranen. Der
Krach von Motor, Wolkenbruch und verzerrter Musik ging an die
Schmerzgrenze. Der Blitz passierte die Abzweigung nach
Altenberg.
    »Was meinst
du«, rief Curd, »ist der Bahndamm heute
voll?«
    »Klar!«
Chico trommelte auf seinen Oberschenkeln. »Wenn wir
kommen.«
    »Ist aber
Kirmesdienstag in Wermelskirchen. Feuerwerk und
so.«
    »Hör mal,
wenn du zwischen 'nem Gig von uns und 'nem Liter Zunftplörre
an der Bierbude am Schwanen wählen könntest, wo
würdest du hingehen?«
    Da eine Antwort auf
sich warten ließ, blickte Chico zur Seite und sah gerade noch,
wie Curd sich verstohlen die Lippen leckte. Kopfschüttelnd
wandte er sich ab, um in der gleichen Sekunde wie elektrisiert
senkrecht zu sitzen.
    »Stop! Stop!
Stop!« Hektisch wischte Chico die Seitenscheibe.
    Curd ging vom Gas.
»Was ist los?«
    »Halt an,
verdammt!«
    Curd trat in die
Eisen, daß der Blitz auf der nassen Piste ins Schlingern
kam.
    »Setz
zurück!« rief Chico. »An die
Haltestelle!«
    »Ich kann hier
nicht zurücksetzen, Birnemann.«
    »Dann fahr auf
den Bürgersteig.«
    Der Blitz rumpelte
über die Bordsteinkante, und Chico öffnete die
Tür.
    »Spinnst
du?« sagte Curd. »Was soll das
eigentlich?«
    Die Antwort kam von
Max, dessen Kopf plötzlich zwischen den Sitzen
auftauchte.
    »Wenn unser
Bübchen so die Welle macht«, sagte er, »kann es sich
eigentlich nur um eine Frau handeln.«
    *
    Langes blondes Haar,
das ihr in feuchten Strähnen bis auf die Brust fiel. An der
Halskette ein großer silberner Schmetterling. Das
durchnäßte lila Samtkleid klebte an einem
Standardkörper für Playboy Centerfolds. Lange volle
Beine, lila Strümpfe. Doc Marten Schnürstiefel,
verschmiert von nassem Lehm. Aber ihr Gesicht. Oval, sehr
blaß, sehr jung, ungeschminkt. Ein Engel in Combat
Boots.
    Sie kletterte auf den
Mittelsitz, und Chico gebärdete sich wie ein junger Hund,
dessen Herrchen die Leine vom Haken nimmt. Aus Platzgründen
landete sein linker Arm auf der Lehne hinter dem
Mädchen.
    Curd fädelte den
Blitz wieder in den Verkehr ein.
    »Ich kenne
euch«, sagte das Mädchen. »Ihr seid Bombay
Black.«
    »Stimmt.«
Chico strahlte. »Sag bloß, du hast uns schon mal live
gesehen?«
    »Im Bunker in
Leverkusen.« Sie schüttelte den Kopf und

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