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Die Brueder Karamasow

Die Brueder Karamasow

Titel: Die Brueder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodr Michailowitsch Dostojewski
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unbegreiflich, daß sich diese große, ehrliche Vereinigung bei uns Russen zu ihrer Zeit allerorten vollziehen kann? Ich glaube, daß sie sich vollziehen wird und daß der Zeitpunkt nahe ist.
    Über die Dienstboten sei noch folgendes hinzugefügt. Als ich noch ein Jüngling war, habe ich mich oft über die Dienstboten geärgert, die Köchin hatte das Essen zu heiß auf den Tisch gebracht, der Bursche meine Kleider nicht gereinigt. Damals jedoch erleuchtete mich plötzlich ein Wort meines lieben Bruders, das ich von ihm in der Kindheit gehört hatte: »Bin ich es denn wert, daß mir ein anderer dient? Und habe ich das Recht, ihn wegen seiner Armut und Unwissenheit anzufahren?« Und ich staunte damals, wie spät sich oftmals die einfachsten, einleuchtendsten Gedanken in unserem Verstand durchsetzen. Ohne Diener geht es nun einmal in der Welt nicht – handle aber wenigstens so, daß sich dein Diener bei dir seelisch freier fühlt, als wenn er nicht dein Diener wäre! Und warum kann ich nicht der Diener meines Dieners sein, und zwar so, daß er es selbst bemerkt, und ohne Stolz von meiner und ohne Mißtrauen von seiner Seite? Warum kann nicht ein Dienstbote zu mir in demselben Verhältnis stehen wie ein Verwandter, daß ich ihn schließlich in meine Familie aufnehme und mich dessen freue? Das läßt sich auch jetzt schon durchführen und wird dann als Grundlage für die künftige Vereinigung der Menschen dienen, wo der Mensch sich keine Diener suchen und nicht mehr wünschen wird, Menschen, die ihm ähnlich sind, zu seinen Dienern zu machen wie jetzt, wo er vielmehr mit aller Kraft wünschen wird, nach dem Gebot des Evangeliums selbst ein Diener aller zu werden. Und sollte es wirklich nur ein leerer Traum sein, daß der Mensch seine Freude schließlich nur in Taten der Belehrung und der Mildtätigkeit finden wird und nicht in rohen Genüssen wie jetzt, in Völlerei, Wollust, Hoffart, Prahlerei und neidischer Überhebung des einen über den anderen? Ich glaube bestimmt, daß das kein leerer Traum ist und daß die Zeit der Erfüllung nahe ist. Viele lachen und fragen: »Wann wird diese Zeit anbrechen? Sieht es in der Welt etwa danach aus, als ob sie jemals anbricht?« Ich aber denke, daß wir mit Christi Hilfe dieses große Werk vollbringen werden. Wie viele Ideen hat es in der Geschichte der Menschheit gegeben, die noch zehn Jahre vor ihrem Aufkommen undenkbar schienen und sich dann doch plötzlich offenbarten und über die ganze Erde verbreiteten, sowie ihr geheimer Zeitpunkt gegeben war? So wird es auch bei uns sein, und unser Volk wird der Welt voranleuchten, und alle Menschen werden sagen: »Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden.« Die Spötter selbst aber sollte man fragen: Wenn unsere Hoffnung ein leerer Traum ist, wann werdet ihr selbst euer Gebäude errichten und nach eurer Gerechtigkeit, einrichten, nur mit dem Verstand, ohne Christus? Und wenn sie nun selbst behaupten, auch sie würden die allgemeine Vereinigung herbeiführen, so glauben daran in Wahrheit nur die Naivsten von ihnen, über deren Naivität man sich allenfalls wundem kann! In Wahrheit besitzen sie mehr träumerische Phantasie als wir! Sie haben vor, alles gerecht einzurichten; da sie jedoch Christus ausschalten, wird es damit enden, daß sie die Welt mit Blut überschwemmen: Blut schreit nach Blut, und wer das Schwert zieht, wird durch das Schwert umkommen. Und wenn nicht die Verheißung Christi wäre, würden sie einander sogar so weit ausrotten, daß nur noch zwei Menschen auf der Erde übrigblieben. Und auch diese beiden letzten Menschen wären in ihrem Stolz nicht imstande, ihre Leidenschaften zu bändigen, sondern der letzte würde den vorletzten vernichten und dann sich selbst. Und das würde geschehen, wenn wir nicht Christi Verheißung hätten, daß dieser Prozeß um der Frommen und Demütigen willen verkürzt werden soll. Als ich nach meinem Duell seinerzeit noch die Offiziersuniform trug, begann ich in Gesellschaften von den Dienstboten zu sprechen, und ich erinnere mich, daß alle sehr über mich staunten. »Sollen wir einen Diener etwa auf das Sofa nötigen und ihm den Tee reichen?« fragten sie. Ich gab ihnen damals zur Antwort: »Warum nicht? Wenigstens ab und zu.« Da fingen sie alle an zu lachen. Die Frage dieser Leute war leichtfertig gewesen, und meine Antwort unklar – ich denke aber, daß in meiner Antwort doch etwas Wahres steckte.
     
    g) Über das Gebet, die Liebe und die Berührung mit

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